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finden sich nicht nur die geschäftliche Korrespondenz, sondern auch an die 30

Geschäftsbücher des gewieften Kaufmanns aus der Zeit zwischen 1847 und 1866

sowie mehrere Kassenbücher und vieles andere.

Auch die osmanischen Quellen zu Schliemanns archäologischer Arbeit wurden

bisher von der Forschung ignoriert.

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Alles, was wir über seine Beziehung zum

Osmanischen Reich wissen, stammt entweder aus seiner Hand oder aus Quel-

len, die eine westliche Sicht wiedergeben, und damit stark tendenziös sind. Die

Erschließung osmanischer Dokumente dürfte zu einer differenzierten Sicht auf

das Verhältnis zwischen osmanischer Regierung und Schliemann führen sowie

möglicherweise bisherige Einsichten revidieren bzw. neue Erkenntnisse liefern.

Die Archäologie war vor allem ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine populäre

Wissenschaft, was sich besonders gut an der regen zeitgenössischen Pressebe-

richterstattung über Ausgrabungen in fernen Ländern und dort gemachten spek-

takulären Funden festmachen lässt. Obwohl die Archäologie also in den Medien

seit dem 19. Jahrhundert präsent war und heute mehr denn je ist, wurde die

mediale archäologische Berichterstattung – und damit die wechselseitige Bezie-

hung von Archäologie, Medien und Öffentlichkeit – von der Forschung bislang

kaum beachtet. Das betrifft nicht allein die archäologische, sondern auch die

medien- und die wissenschaftshistorische Seite. Dabei ermöglicht gerade die

Auswertung der reichen publizistischen Quellen Einblicke in die Funktion der

Presse bei der Schaffung historisch-archäologischen Wissens. Untersuchungen

zur Presseberichterstattung lassen nicht allein neue Erkenntnisse zur medialen

Präsentation wissenschaftlicher Entdeckungen des 19. Jahrhunderts erwarten,

sondern auch zur Entwicklung und Etablierung der archäologischen Wissen-

schaften. In den Blickpunkt des Interesses rückt seit einigen Jahren daher auch

Schliemanns publizistische Tätigkeit.

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Er verkörpert in dieser Hinsicht ein Pa-

radebeispiel früher Wissenschaftspopularisierung. Seine Pressearbeit war für

die damalige Zeit einzigartig; bereits mit Beginn seiner archäologischen Tätig-

keit berichtete er ausführlich über den Fortgang seiner Grabungen in den Zei-

tungen. Dazu nutzte er in den ersten Jahren vor allem die in Augsburg erschei-

nende und damals sehr angesehene

Allgemeine Zeitung

(AZ) und später dann

die

Times

. Schliemanns PR-Offensive veranschaulicht einerseits den Kampf um

persönliche Anerkennung sowohl in der Gesellschaft als auch innerhalb der

Wissenschaft; andererseits wurde gerade in der Debatte um das vermeintlich

entdeckte Troia öffentlich um Methoden und Interpretationsansätze gerungen,

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Neuerdings scheint sich dies aber zu ändern, siehe: Aslan/Sönmez/Körpe 2009; Uslu 2009.

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Bislang etwa Zintzen 1998; Samida 2009; Samida i. Dr.; Sösemann 2002; Witte 2004; Zavadil

2009.