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die den Weg für die Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie als Wissenschaft
ebneten.
Für zukünftige Forschungen dürfte es also von Interesse sein, anhand der rei-
chen archäologischen publizistischen Quellenlage zum einen die Art und Weise
der zeitspezifischen medialen Praktiken zu untersuchen. Zum anderen müsste
es aber auch darum gehen, die Produktion, Distribution und Präsentation von
wissenschaftlichem Wissen im Spiegel der Presseberichterstattung eingehen-
der zu analysieren. Darunter fallen auch solche Diskussionen, wie etwa jene
mit Hauptmann a. D. Ernst Boetticher, die Schliemann in der Öffentlichkeit
austrug. Michaela Zavadil (2009) hat diesen „Trojanischen Federkrieg“, wie
die
Neue Freie Presse
aus Wien am 17. September 1889 den öffentlich aus-
getragenen Konflikt bezeichnete, detailliert aufgearbeitet und darüber hinaus
zahlreiche, bislang unpublizierte Briefe – sowohl von Schliemann, aber selbst-
verständlich auch von Boetticher sowie anderer in den Konflikt involvierter
Gelehrter – vorgelegt. Diese und viele andere öffentlich ausgetragenen Diskus-
sionen scheinen die von dem Historiker Mitchell G. Ash (2007) aufgeworfene
These, wonach wissenschaftliche Disziplinen im „öffentlichen Raum“ bzw. als
„öffentliche Wissenschaften“ entstanden und erst später akademisch institutio-
nalisiert worden sind, zu bestätigen. Um diesen ersten Eindruck hinsichtlich der
Entstehung der Prähistorischen Archäologie abzusichern, sind allerdings noch
weitere Untersuchungen nötig, die auch die Frage nach der „Inszenierung“ von
Wissenschaft einbeziehen sollten.
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Denn die mediale Inszenierung archäologi-
scher Entdeckungen dürfte zur Professionalisierung der Ur- und Frühgeschicht-
lichen Archäologie beigetragen haben. Es scheint daher lohnend, sich mit der
Funktion der Presseberichterstattung und den medialen Praktiken von Wissen-
schaftlern für die Durchsetzung und Etablierung wissenschaftlicher Erkenntnis
zu beschäftigen,
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um einen Beitrag zur Dimension, Form und Wahrnehmung
von archäologischem Wissen im 19. Jahrhundert zu leisten.
Als letzten Punkt möchte ich die Biographieforschung wenigstens noch kurz
ansprechen. Während der Phase der „Dekonstruktion“ wurde auch Kritik an
den Schliemann-Biographen Ludwig, Stoll und Meyer geäußert. Eine kritische
Auseinandersetzung mit ihnen und ihren Arbeiten, die einer modernen Biogra-
phik folgt (Klein 2009), blieb jedoch bis auf wenige Ausnahmen bis heute aus.
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Siehe dazu auch die Beiträge in dem von mir herausgegebenen und kürzlich erschienenen
Sammelband (Samida 2011a).
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Siehe dazu beispielsweise meinen Beitrag zu Koch und Schliemann vor dem Hintergrund der
medialen Inszenierung (Samida 2011b).
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Als Ausnahme muss Calder (1990) gelten, der Ludwig, Meyer und Stoll vergleichend analysierte;
speziell zu Meyer jüngst Kennell 2007.




