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Seite 53

Informationsblatt 32 Dezember 2020

Von Umberto Pappalardo unter Mitarbeit von Ezzazia Souilmi

(Übersetzung aus dem Italienischen von Sybille Galka)

Im Jahr 1858 unternahm Heinrich Schliemann - wie er selbst in

seiner Selbstbiographie berichtet - eine lange Reise durch Eu-

ropa, nach Ägypten, in den Nahen Osten und durch Griechen-

land, die nur durch eine eilige Rückkehr nach St. Petersburg

wegen eines Gerichtsverfahrens gegen einen seiner wichtigs-

ten Geschäftsgläubiger unterbrochen wurde: „Im Jahre 1858

schien mir mein erworbenes Vermögen gross genug, und ich

wünschte mich deshalb gänzlich vom Geschäft zurückzuzie-

hen. Ich reiste zunächst nach Schweden, Dänemark, Deutsch-

land, Italien und Aegypten, wo ich den Nil bis zu den zweiten

Katarakten in Nubien hinauffuhr. Hierbei benutzte ich die

günstige Gelegenheit, Arabisch zu lernen, und reiste dann

durch die Wüste von Kairo nach Jerusalem. Darauf besuchte

ich Petra, durchstreifte ganz Syrien und hatte so fortdauernd

Gelegenheit, eine praktische Kenntniss des Arabischen zu er-

werben; ein eingehendes Studium der Sprache nahm ich erst

später in Petersburg vor.“

1

Nordafrika war auch das Ziel seiner anschließenden Reise im

Jahre 1864, wie er in seinem „Ilios“ erwähnt: „So reiste ich

im April 1864 nach Tunis, nahm die Ruinen von Karthago in

Augenschein und ging von dort über Aegypten nach Indien.“

2

Hier werden wir uns nur mit dieser zweiten Reise befassen, der

von 1864, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Tagebücher,

die sich auf die zweite Reise beziehen, in klassischem Arabisch

geschrieben sind. Diese Sprache erlernte Schliemann während

der ersten Reise im Jahr 1858.

3

Die Reise nach Nordafrika war Teil einer viel längeren Reise,

die von 1864 bis 1868 dauerte: Im April 1864 machte er sich

auf eine Weltreise: Paris, Marseille, Sardinien, Tunis, Ägypten,

Indien, Singapur, Java, China, Japan, Kalifornien, Nicaragua,

Ost-USA, Kuba, Mexiko, Paris. Er erreichte Paris Ende Januar

1 Heinrich Schliemann‘s Selbstbiographie bis zu seinem Tode ver-

vollständigt. Herausgegeben von Sophie Schliemann, Leipzig

1892, S. 23-24: jetzt verfügbar in:

http://www.zeno.org

unter

„Heinrich Schliemann, Selbstbiographie“. Über sein Studium der

arabischen Sprache: Ernst Meyer, Heinrich Schliemann. Kauf-

mann und Forscher, Göttingen 1969, S. 85-87.

2 Heinrich Schliemann, Ilios, Stadt und Land der Trojaner. For-

schungen und Entdeckungen in der Troas und besonderes auf der

Baustelle von Troja, Leipzig 1881, S. 22.

3 Dies sind die Tagebücher in der Gennadius Library of ASCSA,

insbesondere das Tagebuch A5 für den Zeitraum Mai 1864 bis 16.

April 1865. Die gesamten Tagebücher von Schliemann wurden in

mindestens 16 verschiedene Sprachen geschrieben und werden

jetzt von den Botschaftergatten in Athen transkribiert und über-

setzt (LAASA): The LAASA Schliemann Project. Cataloguing

Languages in Heinrich Schliemann‘s Travel Diaries, 1846-1890.

D. F. Easton, The 

Schliemann Papers,

Annuals of the 

British

School

 of

Athens

77, 1982, S. 93-110 (man versteht nicht, warum

es hier vom „Indostan“ (d. h. arabisch-indisch) gesprochen wird,

während es sich um „klassisches Arabisch handelt.“

1866, aber Mitte März war er wieder in Moskau. Im August

reiste er erneut: Theodosia, Odessa, Dresden, Nürnberg, Augs-

burg, Bern, Genf und zurück nach Paris (Oktober). Im Oktober

1867 machte er sich über London und Queenstown, Irland, auf

den Weg zu einer Tournee durch die USA (New York, Detroit,

Chicago, St. Louis, Illinios, Washington DC und New Orleans)

und Kuba. Am 28. Januar 1868 war er wieder in Paris“.

4

Schliemann blieb vom 31. Mai bis 6. Juni 1864 nur sechs Tage

in Tunis (Abb. 1). Damals war das Land Schauplatz großer

Modernisierungen, aber auch großer Turbulenzen, bei denen

es sich im Wesentlichen um drei Protagonisten handelte: den

Bey, den Premierminister und den Befehlshaber der Kavalle-

rie. Schliemann traf nur die ersten beiden.

4 Einen Bericht über diese Reise findet man in Ernst Meyer, Hein-

rich Schliemann. Kaufmann und Forscher, Göttingen 1969, S.

184; vgl. David A. Traill, Schliemann’s Trips 1841-1867

and a

Detailed Record of his Movements 1868-1890

, in: Boreas 14,

1991/92, S. 207-214, hier: S. 208.

Beiträge und Berichte

Heinrich Schliemann in Tunis und Karthago

aus den Tagebüchern

Abb. 1 – Heinrich Schliemann

in einem türkischen Anzug nach sei-

ner Rückkehr aus Mekka