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Seite 22 Informationsblatt 32 Dezember 2020

Beiträge und Berichte

Auf einer Sandscholle im Urstromtal des großen Landgrabens

gelegen, gibt es bis zum 16. Jahrhundert keinerlei schriftliche

Nachrichten über diesen Platz, was historisch gesehen nichts

besagen will, wie wir ja am Vormittag angesichts des weni-

ge Kilometer entfernten Schlachtfeldes an der Tollense gelernt

haben.

Aus dem Jahr 1533 gibt es einen Lehnsbrief der pommer-

schen Herzöge an die Familie von Schwerin, die nichts mit den

gleichnamigen Grafen und der Stadt im Mecklenburgischen

zu tun hat, welcher die Dörfer Spantekow, Janow, Neuendorf,

Rehberg und Damerow umfasst. 1560 starb Herzog Philipp

von Pommern-Wolgast und Ulrich von Schwerin wurde als

Großhofmeister zum Vormund für den minderjährigen Nach-

folger. Nach seinem Tode erbte der jüngste Sohn Ulrich II. von

Schwerin das Lehen. Er beschloss, an dieser Stelle eine Burg

zu errichten. In den Jahren 1576-79 wurde die Veste Landskron

erbaut. In historischen Aufzeichnungen wird die Anlage selten

erwähnt, was für die geringe strategische Bedeutung des Plat-

zes trotz seiner Lage in der mecklenburgisch-pommerschen

Grenzregion spricht.

1651 verstarb der Enkel des Erbauers Ulrich Wigand von

Schwerin ohne Nachkommen. Die Burg wurde zweimal in

weiblicher Linie weitervererbt und geriet in die Hände des

hoch verschuldeten schwedischen Untertanen Jürgen von

Pentz, der nicht in der Lage war, die Burg zu unterhalten. Be-

reits 1661 wurde bei einer Kirchenvisitation festgestellt, dass

die Kapelle unbenutzbar sei. Spätestens 1683 hatte die Familie

von Pentz die Burg aufgegeben, vermutlich unter dem Einfluss

der schwedisch-brandenburgischen Auseinandersetzungen

1674-79, bei denen sie beschädigt worden sein soll, nachdem

selbst der verheerende 30-jährige Krieg einen Bogen um die-

sen strategisch unbedeutenden Punkt gemacht hatte. Auch die

Tatsache, dass die Veste 1699 wieder in den Besitz der Familie

von Schwerin kam, brachte keine Besserung. Die Anlage blieb

aus Geldmangel sich selbst überlassen.

Erst im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der Romantik, erinnerte

man sich ihrer. 1852 wurde die Schlossküche in der östlichen

Vorburg abgetragen und an ihrer Stelle ein Burgkrug einge-

richtet, der heute nicht mehr vorhanden ist. Für die Abgelegen-

heit des Ortes spricht auch, dass selbst der große Romantiker

Caspar David Friedrich, der immerhin in Greifswald geboren

und aufgewachsen ist und sich einige Zeit in Neubrandenburg

bei Verwandten aufgehalten hat, diesen Platz offensichtlich

nicht gekannt hat, denn sonst gäbe es sicherlich Spuren davon

in einem seiner Gemälde. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts

dient der südöstliche Turm als Aussichtspunkt. Es wurden Si-

cherungsarbeiten durchgeführt, die zum Ende des 20. und Be-

ginn des 21. Jahrhunderts weitergeführt wurden.

Bei der Anlage handelt es sich um eine Niederungsburg in

sumpfiger Umgebung ursprünglich direkt am Großen Land-

graben, der die Wallgräben speiste. Durch Begradigung beim

Torfabbau im 19. Jahrhundert fließt der Landgraben heute ca.

100 Meter südlich der Burg. Sie besteht aus östlicher Vorburg

und westlicher Hauptburg. Sämtliche Gebäude und Mauern

wurden aus Feldsteinen errichtet, nur die Fenster- und Tür-

laibungen sind aus Ziegelsteinen gemauert. Die Wandstärken

liegen zwischen 80 und 100 cm. Die Anlage wird von einer

drei Meter hohen Mauer umgeben. Der Zugang erfolgt über ein

nördliches Torhaus, dessen Durchfahrt so niedrig ist, dass sie

für Reiter und Kutschen nicht passierbar ist. Dafür gab es im

Osten der Vorburg ein weiteres Tor, um 90 Grad versetzt zum

Zufahrtsweg. In einer Öffnung im Obergeschoss des Torhau-

ses befand sich eine Steintafel von 1586, die im 20. Jahrhundert

verschollen ist, mit Reliefbildern und Wappen Ulrichs II. und

seiner Gattin Katharina von Waldenfels. Darüber sieht man

ein Fenster, das offenbar zu einer Wachstube gehörte. West-

lich des Torhauses findet man ein Wächter- und Gesindehaus,

östlich einen Marstall, in dessen Obergeschoss ein geräumiger

Speicher existierte. Die nördliche Außenwand beider Gebäude

verschmilzt mit der Umfassungsmauer. Im südlichen Teil der

Vorburg liegt die Ruine der Schlosskapelle.

Die Hauptburg, ein zweigeschossiger Bau auf rechteckigem

Grundriss von ca. 15 x 25 Metern, ist tief unterkellert, was für

eine natürliche Sandscholle als Untergrund und keine künst-

liche Aufschüttung spricht. Sie ist von einem ursprünglich 2

m tiefen Wassergraben umgeben, der mit Feldsteinmauerwerk

eingefasst war. An jeder Ecke befindet sich ein Turm von 3,5

m Durchmesser, der das Gebäude um ein Geschoss überragt.

Ursprünglich war das ganze Haus verputzt mit der für die Re-

naissance typischen Eckquaderung, die in Resten noch gut er-

kennbar ist. Zwischen den nördlichen Türmen ist der Treppen-

turm ebenfalls noch gut sichtbar. Das Portal mit Zugbrücke

liegt zwischen den östlichen Türmen. Am besten erhalten ist

der südöstliche Turm, an dem mehrfach Sanierungsarbeiten

durchgeführt wurden. Er ist begehbar und dient als Aussichts-

plattform. In seinem Keller befand sich, gut erkennbar, das

Burgverlies.

Westlich des Hauptgebäudes findet man die Reste von fünf

Bastionen. Die Anlage eines Burggartens ist nicht mehr er-

kennbar, aber im Baumbestand finden sich Eichen, die ver-

mutlich zur Entstehungszeit der Burg gepflanzt worden sind.

Ein zweiter Graben umschloss das Burggelände.

Die gesamte wunderbare reine Renaissanceanlage wurde nur

knapp 100 Jahre genutzt und befindet sich seitdem in einem

Dornröschenschlaf. Da sie strategisch uninteressant war, ist

sie nie zerstört und auch nie umgebaut worden. Sämtliche vor-

handene Bausubstanz mit Ausnahme des Südostturmes und

der Zugangsbrücke stammt noch aus der Entstehungszeit und

ist gut gesichert. Der Burgkrug aus dem 19. Jahrhundert im

östlichen Teil der Vorburg ist beseitigt worden. Die Anlage

präsentiert sich in einem sehr gepflegten Zustand, so dass ihre

Entdeckung allen Teilnehmern große Freude bereitete, zumal

der morgendliche Regen nachgelassen hatte und am Nachmit-

tag sogar die Sonne hervorkam, so dass Licht, Stimmung und

Ambiente wunderbar zusammenpassten.

So hat sich denn der Kreis vom „Blutigen Gold“ der Bron-

zezeit auf dem Schlachtfeld an der Tollense über die mittel-

alterliche Burg Klempenow bis zur Veste Landskron aus der

Renaissance in einem Durchmesser von nur knapp 25 km ge-

schlossen.

Dr. Lutz-Ingolf Peters,

Neverin