Seite 20 Informationsblatt 29 April 2018
Mitgliederversammlung
Wichtige Entscheidungen zur Zukunft des Museums in An-
kershagen sind gefallen, durch regionale Entscheidungsträger
auch demokratisch legitimiert. Wir müssen von dieser Situa-
tion ausgehen und ohne großes Lamentieren über die Frage
nachdenken, hat die HSG noch eine Zukunft, und wenn wir sie
mit ja beantworten wollen, und das denke ich doch, was müs-
sen wir dann verändern, wie müssen wir uns neu „aufstellen“,
wie man im funktionellen Sprachgebrauch so sagt.
Machen wir uns zunächst nochmals klar, worin die neue Situa-
tion besteht:
1. Der Träger hat entschieden, dass die Aufgabe wissenschaft-
licher Arbeit aus dem Aufgabenkatalog des Museums zu strei-
chen ist, allein die auch ökonomisch messbare Ausstrahlung
wird bestimmend sein. Die Stelle des auf dem Gebiet der
Geschichte wissenschaftlich qualifizierten Leiters wurde des-
halb nicht ausgeschrieben, schlimmer, sie wurde gestrichen,
und die Gesamtaufgabe der Museumsleitung der Museologin
Undine Haase übertragen, die bisher bereits im Museum zu-
sammen mit dem Leiter tätig war, jetzt aber allein für das Pro-
fil des Museums und seine Betreibung zuständig sein wird.
Es ist falsch und kontraproduktiv, den Frust über diese Ent-
scheidung auf Frau Haase zu lenken, im Gegenteil, sie braucht
unsere Solidarität und Unterstützung.
2. Hinter dieser Personalentscheidung, die in der Hoheit des
gegenwärtigen Trägers liegt, steht letztlich ein seit Jahren
schwelender Konflikt über die Rolle wissenschaftlicher Ar-
beit in einem Museum, die von den regionalen Trägern im-
mer wieder in Frage gestellt worden ist und nach ihrer Auf-
fassung nur in den universitären Bereich gehört und der mo-
dernen Auffassung eines Museums als Ort des Sammelns,
Bewahrens, Interpretierens und Vermittelns grundsätzlich
widerspricht. Selbstverständlich ist eine wissenschaftliche
Betrachtung des Gegenstandes, und das bedeutet „Interpre-
tieren“ letztlich, Voraussetzung erfolgreicher musealer Arbeit,
die dann deren Ergebnisse didaktisch im Museumsbereich
umsetzt, gleichzeitig ein Museum einbindet in eine geistige
Welt des Austausches, sonst wird es unweigerlich irgendwann
eine „Staubbude“. Der einzige Weg dieser „Einbindung“ ist
das wissenschaftliche Netzwerk auf regionaler, nationaler und
internationaler Ebene, je nach dem Charakter des Museums,
und die Öffentlichkeit.
3. Gleichzeitig gibt es auch eine positive Entscheidung – die
Entscheidung zur baulichen Sanierung des bestehenden Kom-
plexes und zur Gestaltung einer neuen Dauerausstellung. Die
vorliegenden Kontakte lassen die Interpretation und Hoff-
nung zu, dass die HSG bei der inhaltlichen Überarbeitung der
Dauerausstellung ihren Sachverstand maßgeblich einbringen
kann. Es gibt ein Gesprächsprotokoll aber noch keine genaue
Zielvereinbarung, die Zeitabläufe, Finanzen und Kompeten-
zen regelt. Diese Dinge sind noch im Fluss. Vor dem Hin-
tergrund der deutlichen Mittelkürzung im Kulturbetrieb der
Region ist die Entscheidung jedoch unbedingt als sehr positiv
anzusehen.
Wie sollen wir auf diese Fakten reagieren?
Es gibt aus meiner Sicht zwei Ebenen der Reaktion:
1. Wir müssen den inhaltlichen Grundwiderspruch in der
Auffassung der Aufgabenstellung eines Museums zwischen
dem ökonomisch klammen regionalen Träger und den an-
spruchsvollen Zielsetzungen an eine moderne Arbeitsweise,
wie er von Museumsverbänden und Wissenschaftlern formu-
liert wird, akzeptieren. Das bedeutet nicht, dass wir uns als
Gesellschaft auf die Seite des Trägers stellen müssen. Wir
müssen vielmehr Kompromisse in unserem Sinne fördern und
gleichzeitig versuchen, Verständnis für unsere Auffassung zu
finden. Die HSG kann nicht als Träger des Museums agieren,
dazu sind wir ökonomisch nicht in der Lage. Die Wiederver-
ankerung wissenschaftlicher Arbeit im Aufgabenkatalog und
Stellenplan des HSM muss jedoch ein strategisches Ziel blei-
ben – ohne Brüskierung der Träger des HSM, die auch unsere
Partner sein müssen. Dies funktioniert nur durch Öffentlich-
keitsarbeit und Teilnahme an einer Gegenbewegung zum Kul-
turabbau in unserer Gesellschaft. Dazu braucht man Partner
aus anderen Bereichen des gesellschaftlichen und kulturellen
Lebens.
2. Die 2. Ebene sind die praktischen zeitnahen Konsequen-
zen aus dieser Entscheidung. Hier möchte ich folgende Punkte
nennen:
1. Die unmittelbare Folgerung aus der aktuellen Situation ist
die Übernahme der wissenschaftlichen Arbeit durch die Ge-
sellschaft. Dies muss sichtbar werden, für alle Interessierten
und darüber hinaus für die Öffentlichkeit, in der Fortsetzung
der Vortragstätigkeit in bisheriger Regelmäßigkeit. Dr. Witte
Wie können wir die Heinrich-Schliemann-Gesellschaft zukunftsfähig machen?
Prof. Dr. H. Rühle (Vorstandsmitglied der HSG) auf der MV am 3. 9. 2017
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1 S. auch Hellmut Rühle: Gedanken zur Zukunft der Heinrich-Schliemann-
Gesellschaft Ankershagen e. V. In: Informationsblatt der HSG 28 (März 2017)
Prof. Dr. Hellmut Rühle