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Seite 50 Informationsblatt 27 März 2016

Beiträge und Berichte

Der Schicksalsberg der Archäologie wartet nicht mit Neuigkei-

ten auf. Leider sind die umstrittenen Ausgrabungen der Unter-

stadt nicht zugänglich. Im äußersten Nordwesten der Troas gibt

es drei Tumuli. Wir besteigen den Tumulus des Patroklos, von

dem aus man einen herrlichen Blick hat über die Dardanellen,

die Ebene vor Troia und über den Sigeion nach Tenedos hin. Die

Zuordnung der unnatürlichen oder besser künstlichen Hügel

als Bestattungsplatz des Aias, Achill oder Patroklos ist durch

nichts gesichert, was Raubgräber aber nicht daran hindert, den

Tumulus des Patroklos von oben her, bis auf den Grund zu

durchgraben. Der Tod seines besten Freundes durch die Hand

von Hektor, lässt Achill erneut rasend werden vor Wut. Seine

Rache an Hektor, die Schändung des Leichnams, die Heraus-

gabe an Priamos und die Bestattung Hektors beenden die Ilias.

Nicht gestillt aber ist der Zorn des Achill! Er erschlägt Penthe-

silea, ermordet seinen Kritiker, den Abschaum der Griechen:

Thersites und Memnon, den Feldherren der oberägyptischen

Armee, die Troia zur Hilfe kommt. Diese Episoden, wie auch

der Tod des Achill durch Paris sind uns heute bekannt durch

außerhomerische Quellen. Sie sind aber in der Tiefe vielleicht

noch mehr verworren und unklarer als die Quellen „der“ Ili-

as. Eine solche nicht von Homer stammende Erzählung, ist

die „Äthiopis“, die einem Arktinos von Milet (um 750 v. Chr.)

zugeschrieben wird. Das Werk ist nicht erhalten, nur bekannt

durch eine Textzusammenstellung des Proklos (ein Name, der

zeitlich wieder nicht eindeutig zuzuordnen ist).

Nach der Äthiopis folgen bei Arktinos: die Entführung des

Leichnams des Achill durch seine göttliche Mutter, der Streit

um die Waffen des Achill, die Geschichte vom hölzernen Pferd

und die Zerstörung Troias durch die von Tenedos zurückkeh-

renden Griechen. Diese Episoden fasst man zusammen unter

dem Begriff Iliupersis. Die Zuordnung ist aber bis heute nicht

geklärt. Es gibt z. B. eine Iliupersis des Iophon, die verloren

gegangen ist, oder auch eine Iliupersis des Stesichoros (um 600

v. Chr.). Als Quelle wird dabei immer wieder die Ilische Tafel

genannt, ein nur 25 x 28 cm großes Kalksteinrelief aus dem

1. Jh. v. Chr. Sie ist eine sehr schöne, detailreiche Arbeit, die

wohl für Schulzwecke gefertigt wurde. Diese zu zwei Dritteln

erhaltene Tafel ist heute für die Literaturwissenschaft von be-

sonderem Wert, da sie in Wort und Bild neben Inhaltsangaben

zur Ilias auch die Äthiopis, „die“ Iliupersis und weiterhin die

Kleine Ilias nennt. In der vorletzten Bildzeile sind z. B. die drei

oben erwähnten Morde des Achill gezeigt und beschriftet.

Wir segeln, nein, wir fliegen fast mit achterlichem Wind der

Stärke 6-7 Bft. (Beaufortskala) nach Süden. Unser Ziel ist

Mithymna, eine Hafenstadt im Norden der Insel Lesbos. Von

hier soll Lesches stammen, der angebliche Autor der Kleinen

Ilias. Drei Meilen davor holen wir die Segel ein. Auf der Gren-

ze zwischen Asien und Europa, zwischen Nicht-EU und EU,

zwischen der Türkei und Griechenland, auf der Schengen-Au-

ßengrenze ist kein Mensch, kein Boot, nichts zu sehen. Ich hole

die türkische Flagge ein und setze die Gastlandsflagge Grie-

chenlands.

Kurz vor unserem Ziel meldet sich ein marokkanischer Hava-

rist bei mir. Mit einer langen Leine schleppe ich ihn in das ach

so kleine Hafenbecken. Die schöne junge Griechin, welche uns

beim Einklarieren im Hafenbüro erwartet, schüttelt verständ-

nislos den Kopf. UnsereYacht hat einen türkischen Namen, wir

haben eine griechische, eine deutsche und eine amerikanische

Tumulus des Patroklos