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Seite 56 Informationsblatt 27 März 2016

Br. Dr. Heinrich Schliemann.

Abdruck eines Nachrufes des „Pythagoras“, einer Athener

Freimaurerzeitung, Heft 4 des Jahres 1890, zum Tode Heinrich

Schliemanns. Autor ist der Herausgeber E. Galani (in deutscher

Übersetzung). Aus: Freimaurer-Zeitung, Leipzig, Nr. 16 vom 18.

4. 1891, S.121-123.

Wer gegen die sechste Morgenstunde des Sommers oder

im Winter gegen sieben in der Nähe des Olympischen Zeus

wanderte, konnte oft einen einfachen Mann mit breitkrämpigem

Hute sehen, welcher zu Pferd von Phaleros hertrabte, oder man

begegnete gegen 3 oder 4 Uhr nachmittags dem mässig großen,

übersechzigjährigen freundlichen Manne, wie er mit strahlenden

Augen die Universitätsstrasse daher zog. Es war Heinrich

Schliemann, welcher seine trojanische Wohnung wieder

aufsuchte, nachdem er sich im klaren Gewässer zu Phaleros

gebadet, oder welcher seine Wohnung verliess, um seine Bauten

zu besichtigen und den Arbeitern seine Befehle zu ertheilen. Es

giebt keinen Athener, welcher den bemerkenswerthen Germanen

nicht kennt. Und wenn er ihn nicht mit den Augen gesehen hat,

so hörte er wenigstens seine lieblichen Kinder Agamemnon und

Andromache und seine Diener Radamanthon und Ajax oder es

war dieser Homerverehrer irgendwann der Gegenstand seiner

Unterhaltung, Wer aber kennt die trojanische Wohnung nicht?

„Denn leicht ist sie zu erkennen, und wenn dich auch ein

unerfahrenes Kind führte.“ (Homer)

Aber Heinrich Schliemann, dieser einzig(artig)e Gelehrte, ist

nicht mehr unter den Lebenden. Die lebhafte und sympathische

Gestalt ging auf immer dahin, die gewaltige Parze bezwang

den vielherumgetriebenen Odysseus und dort, wo der Sänger

des trojanischen Aeneas seine ewige Wohnung bestellte, dort in

Parthenope (Neapel) hat auch der vielgenannte Entdecker und

Forscher des alten Trojas seinen Geist ausgehaucht.

Selten erscheinen in der Menschheit solche Männer, wie

Heinrich Schliemann. Aus armen Hause stammend und klein

anfangend, wurde er gross und berühmt durch seine Arbeitslust

und seine Ausdauer.

Nachdem er aber Reichthum erworben, verwendete er ihn nicht

auf Vergnügungen und auf die Befriedigung eitler leerer Gelüste,

sondern er durchwanderte die Welt und sah vieler Menschen

Wohnstätte, und nachdem er viele Kenntnisse erworben und

bereits das Mannesalter erreicht hatte, widmete er sich dem

Studium der griechischen Sprache und Philologie und Homer

wurde seines Lebens schönste Freude, der einzig(artig)e Sänger

der Welt, welcher gleichsam lebend den deutschen Archäologen

durch seine Lieder entzückte und begeisterte. Zu Hause und auf

dem Marktplatze, bei der Festtafel und auf dem Spaziergange,

überall und immer flossen honigsüss aus seinem Munde die

Verse des jonischen Sängers, welche er mit jener göttlichen

Begeisterung auswendig wiederholte, mit welcher vom Dreifuss

die Pythia die Orakel Apollo’s verkündete.

Mit einem kräftigen Gedächtniss ausgestattet, hatte der

berühmte Mann bald alle europäischen Sprachen gelernt, dazu

besass er eine unermüdliche Energie und den festen Willen, die

Homerische Archäologie zu erforschen, und kein Hinderniss

vermochte ihn von seinem Ziele abzuzbringen; während er dem

Gotte des Handelns diente, opferte er unausgesetzt demjenigen

der Musen, bis er jenem ganz entsagte und sich dem letzteren

ausschliesslich zuwendete. Als er demnach nach Griechenland

kam, heirathete er eine junge Griechin, welche nicht allein wohl

geeignet war, die edlen Bestrebungen ihres Gatten zu schätzen

und mit eigenen Studien zu unterstützen, sondern auch die

würdige Förderin aller seiner archäologischen Unternehmungen

wurde. Beide zogen nun nach Troja und es gelang ihnen nach

vielen Mühen und Ausgaben, die Burg Priams zu entdecken

und viele schöne Gegenstände der vorhistorischen Zeit ans

Licht zu bringen, welche jetzt das Berliner Museum schmücken

und dem Studium der Archäologie einen neuen Antrieb geben.

Aber mit der trojanischen Beute endete nicht das Ringen des

unermüdlichen Forschers; es folgten viele alte Entdeckungen,

welche ihm in der ganzen gebildetenWelt einen unvergänglichen

Ruhm einbrachten. Die Ausgrabungen in Mykene, in welchen

viele vorgeschichtliche Alterthümer gefunden wurden, die

in Orchomenos und Egypten ausgeführten sind Zeugen

seiner unermüdlichen Selbstlosigkeit in der Erforschung des

Alterthums. Troja war ihm aber noch nicht ein erschöpftes

Feld; sein ungesättigter Wunsch, alles zu entdecken und über

die Wahrheit seiner Erörterungen keinen Zweifel zu lassen,

gestattete ihm nicht zu ruhen und bereits im März wollte er sich

dahin begeben und die unterbrochenen Nachgrabungen wieder

aufzunehmen. Aber ach! die Parzen beneideten ihn um sein

kosmopolitisches Werk und riefen ihn hinab in die Wohnung des

Todes.

„Es stirbt ein thatenloser Mann wie auch der, welcher vieles

gethan hat.“ (Homer)

Heinrich Schliemann war zwar Deutscher von Geburt, seine

liberale Gesinnung machte ihn aber auch zum amerikanischen

Staatsbürger und Freimaurer. Er ist in Paris eingeweiht worden

und besass den dritten Grad.

Von edlem Benehmen, allen freundlich zugänglich, ohne Stolz

und Eitelkeit, reich und seinen Reichthum in bester Weise

verwendend, so war der Mann selbst wie ihn sein Lieblingsdichter

schildert:

„Reich an Lebensgütern, war er ein Freund der Menschen,

denn er nahm sie alle freundlich auf, da er am Wege ein Haus

bewohnte.“ (Homer)

So war der vorzügliche Mann, den Berlin seinen Ehrenbürger

nannte und den Pallas-Athena als einen in seinerArt einzig(artig)

en Mitbewohner verehrte, dessen Asche nun ihre leichte Erde

mit frommer Trauer deckt.

E. Galini

Beiträge und Berichte

Ehrentempel für geschiedene Brr.

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1 Anm. der Redaktion: Brr. = Brüder, Br. = Bruder.