Seite 46 Informationsblatt 27 März 2016
Beiträge und Berichte
Wir wissen, dass die Phönizier eine große Rolle auf Sizilien
spielten. Leider sind fast alle primären Quellen darüber verloren
gegangen. Nur noch einige formelhafte Inschriften sind überlie-
fert, die sich auf Steinen befinden. Ihre dem Hebräischen ähnli-
che Sprache wurde bereits im Mittelalter nicht mehr verstanden,
so dass auch die literarischen Quellen verloren gingen. Nur den
archäologischen Funden und der griechischen und römischen
Überlieferung verdanken wir unser Wissen über die Phönizier.
Ihre Benennung als „Phönizier“ kommt ebenfalls von den Grie-
chen: Phoinix heißt „purpurrot“ oder „Dattelpalme“.Aber warum
erhielten sie von den Griechen diesen Namen? Färbten sie ihre
Haare rot, hatten sie eine rötliche Hautfarbe? Am wahrschein-
lichsten ist: Sie waren Meister in der Verwendung der Farbe, die
sie aus der Purpurschnecke gewannen, für die Textilherstellung.
Für sich selbst benutzten sie die Bezeichnung Kanaanäer, Kana-
aniten oder Sidoniter, und vor allem nannten sie sich nach ihren
Städten (Tyrer, Sidonier, Karthager etc.). Sie waren Semiten und
lebten in der Levante, auf dem Gebiet des heutigen Libanon. Ihre
bereits im 2. Jt. v. Chr. gegründeten Stadtstaaten, wie Byblos,
Beirut, Sidon und Tyros blieben (wie die griechischen) immer
autonom. Ihre Haupttätigkeit war der Handel: Kupfer, Bronze,
Zedernholz.
In der Fremde gründeten sie zunächst nur Handelsniederlassun-
gen, keine Städte. Selbst die berühmteste phönizische Gründung
– Karthago – war zunächst nur ein Handelsplatz und löste sich
erst im 6. Jh. v. Chr. von seiner Mutterstadt Tyros.
Die Griechen übernahmen von den Phöniziern das Alphabet und
wandelten es entsprechend den griechischen Bedingungen um.
Wie die Griechen verehrten auch die Phönizier Götter: Baal und
Baalat, den Gott Melkart und die Göttin Astarte oder Tanit. Be-
kannte Namen lauteten Hasdrubal (Baal ist meine Hilfe), Hanni-
bal (der dem Baal geneigt ist) und Hamilkar (Melkarts Knecht).
Es wird angenommen, dass sich bereits vor der Ankunft der Grie-
chen um 1000 v. Chr. phönizische Siedlungen auf Sizilien befan-
den. Sie konnten jedoch (noch) nicht nachgewiesen werden.
Motya ist die älteste der von Thukydides überlieferten phönizi-
schen Stützpunkte. Hierhin zogen sie sich zurück, als die Grie-
chen Sizilien kolonisierten.
San Pantelao, so der heutige Name der Insel Motya, liegt in einer
Lagune Lo Stagnone etwa 10 km entfernt von Marsala am west-
lichsten Zipfel der Insel Sizilien und hat eine Fläche von unge-
fähr 45 Hektar. An der Küste befinden sich zahlreiche Salzgärten,
in denen Meersalz gewonnen wird und die der Landschaft ein
besonderes Flair geben.
Heinrich Schliemann unternahm auf der Insel Motya vom 19.
bis zum 22. Oktober 1875 Probegrabungen. Akribisch vermerk-
te er die Anzahl der beschäftigten Arbeiter und die vereinbarten
Löhne. Doch schon nach wenigen Tagen stellte er fest, dass die
Funde viel zu jung waren, als dass sie in die mykenische bzw.
trojanische Zeit passen. Schließlich teilt er bereits am 27. Ok-
tober Guiseppe Fiorelli
1
mit, dass er für sein weiteres Leben im
„uralten Mykene und Troja“ bleiben wolle.“
Die jüngeren Ausgrabungen auf der Insel lassen den Schluss zu,
dass bereits in der mittleren Bronzezeit Menschen auf Motya sie-
delten. Zum Ende des 8. Jh. v. Chr. entstand auf der Insel Motya
eine erste großflächig angelegte Siedlungsanlage mit einer Stadt-
mauer und Stadttoren, einemHafen sowieWohnvierteln. Über die
1715 m lange, heute versunkene Straße aus dem 6. Jh. v. Chr. war
eine schnelle Anbindung an das Festland möglich. Über mehrere
Epochen wurde sie immer wieder erneuert und noch bis in die
sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts von den Bauern mit
Karren benutzt, bis sie endgültig versank. Über die Bedeutung
des Hafens von Motya für die Phönizier finden sich zahlreiche li-
terarische Quellen, so berichtet Diodor, dass der Karthager Han-
nibal 409 v. Chr. in dem Meerbusen von Motya die Schiffe aufs
Trockene legte, um den Syrakusern zu signalisieren, dass er nicht
als Eroberer gekommen sei.
2
406 v. Chr. lagerte auch Himilkon
auf dem Ankerplatz.
3
Schließlich berichtet Diodor auch über die
Belagerung, Plünderung und Zerstörung Motyas durch den Ty-
rannen Dionysios von Syrakus im Jahr 397 v. Chr.
4
Die Überlebenden verließen Motya und gründeten am Kap Boeo
die Siedlung Lilybeum, das heutige Marsala.
Noch heute sind die Befestigungen, verstärkt aus viereckigen
Türmen aus dem 6. und 5. Jh. v. Chr. erkennbar. Gut sichtbar
ist auch noch die Straße aus großen Kalkblöcken, die auf einem
Schotterbett lagern, sowohl innerhalb der Stadt als auch außer-
halb der Stadt in Richtung Meer (bei Ebbe ist sie heute noch zu
sehen). Die Straße führte durch das monumentale Nordtor. Es war
mit einer wunderschönen Skulptur aus Sandstein geschmückt:
Zwei Löwen fallen einen Stier an (Abb.1). In der Nähe befand
sich auch eine der zwei ausgegrabenen Kultstätten.
1 Fiorelli, Guiseppe: (08. 06. 1823 in Neapel – 28. 01. 1896 in Neapel) war
ein italienischer Archäologe. Er leitete die Ausgrabungen in Pompeji und
Herculaneum. Später lehrte er an der Universität in Neapel und leitete das
Nationalmuseum in Neapel. 1875 wurde er Generaldirektor der Museen
und Ausgrabungen in Rom. Er bot Schliemann mehrere historische Gra-
bungsstellen an, so u. a. auch Motya.
2 Diod. XIII 54,5.
3 Diod. XIII 88,4.
4 Diod. XIV 47-54.
Die Insel Motya
Abb. 1 – Skulptur aus Sandstein: Zwei Löwen fallen einen Stier an