Seite 52 Informationsblatt 25 Dezember 2013
Beiträge und Berichte
Das Ziel der diesjährigen Studienreise der Heinrich-Schlie-
mann-Gesellschaft führte die Teilnehmer in die ewige Stadt,
nach Rom. Ein umfangreiches Programm war im Vorfeld ge-
plant worden, wohl wissend, dass es vollkommen unvollkom-
men sein würde, an dem was Rom an Sehenswertem bietet.
Für mich persönlich waren es drei Höhepunkte, die ich mir mit
dieser Reise erfüllen konnte:
1. Mit dem Besuch der
Milvischen Brücke
ging für mich ein
langersehnter Traum in Erfüllung: Die Milvische Brücke, da-
mals außerhalb der Mauern Roms und am jenseitigen Tiber-
Ufer gelegen, war am 28. Oktober des Jahres 312 Schauplatz
des Kampfes zwischen Konstantin und Maxentius um die
Macht und Herrschaft im römischen Reich. Beide waren Söh-
ne zweier römischer Augusti der Tetrarchie, die von Diokletian
um 285 errichtet wurde, um endgültig die Krise im römischen
Reich zu beenden. Dieses Herrschaftsmodell sah zwei Senior-
kaiser (Augusti) und zwei Unterkaiser (Caesares) vor, die über
ein bestimmtes Gebiet des riesigen römischen Reiches regieren
und somit die Macht sichern sollten. Diokletian schloss mit der
Einführung der Tetrarchie die Vererbung des Titels aus. Sein
Ziel war es, den fähigsten zum Nachfolger zu berufen. Sowohl
Konstantin als auch Maxentius konnten sich mit dieser Rege-
lung nicht abfinden und beanspruchten die alleinige Herrschaft
für sich. Trotz der vielfachen personellen Überlegenheit des
Heeres des Maxentius gelang Konstantin der Sieg, während
Maxentius in den Fluten des Tibers ertrank. Konstantin – so die
Überlieferung – habe den Sieg nur erringen können, weil ihm
im Traum die Vision erschien, dass er unter diesem Zeichen
siegen würde. Daraufhin ließ Konstantin die Schilder seiner
Soldaten mit dem Christogramm (Chi und Rho) versehen.
Die christlichen Autoren wie Eusebius und Laktanz widerspre-
chen sich in ihren Darstellungen über die Vision und Bekeh-
rung Konstantins in wesentlichen Punkten. Im Gegensatz dazu
zeichnet der pagane Geschichtsschreiber Zosimos ein ganz an-
deres Bild von Konstantin: als einen mit angeborener Schlech-
tigkeit, nach Willkür handelnden, nur noch aus Zweckmäßig-
keit, statt mit Ehrfurcht den väterlichen Sitten gehorchenden,
auf Wahrsager hörenden Menschen. Den Gipfel der Gottlosig-
keit empfand Zosimos in der Ermordung seines Sohnes Crispus
und seiner Frau Fausta. Ja, er geht sogar so weit, dass der christ-
liche Glaube Konstantins nur aus der Versprechung der Sühne
für die Morde an Crispus und Fausta angenommen wurde.
Dies führte dazu, dass nur selten in der Forschung jemand so
kontrovers diskutiert wurde wie Konstantin. Im Zentrum die-
ser Diskussion um und über Konstantin, des ersten christlichen
Kaisers, steht die Frage nach seiner Religiosität und nach sei-
nem Christsein. Es ist in der Konstantin-Forschung seit jeher
eine Hauptschwierigkeit und ein Hauptschwerpunkt zugleich,
eine Antwort auf die Frage zu finden, welche inneren Beweg-
gründe Konstantin veranlassten, das Christentum von der Ver-
folgung zu befreien und letztlich zur Staatsreligion zu erheben.
Hat er dies aus christlicher Gesinnung oder aus politischem
Kalkül heraus getan?
Eine weitere Fragestellung beschäftigt sich mit demAspekt der
historischen Nachwirkungen der konstantinischen Reformen.
Ist also die zunehmende Verbindung zwischen Kirche und Staat
für den zunehmenden Verlust christlicher Werte verantwort-
lich? Wurde durch Konstantin der Grundstein für die zuneh-
mende Verweltlichung der Kirche und die kirchlich-staatlichen
Machtkämpfe im Mittelalter gelegt? Würde das Christentum
auch ohne die Förderung durch Konstantin fortbestanden ha-
ben oder wäre sogar eine bessere Form des Christentums mög-
lich gewesen?
Römische Impressionen V
(Romreise der Heinrich-Schliemann-Gesellschaft vom 14.-19. Oktober 2013)
Die Milvische Brücke.
Die Schlacht an der Milvischen Brücke im Sala di Constantino, Vatikani-
sches Museum Rom.