Seite 53
Informationsblatt 25 Dezember 2013
Beiträge und Berichte
Auch der neueren Forschung ist es aufgrund der fehlenden
Quellen unmöglich, konkrete Antworten auf diese Fragen zu
geben. Was bleibt, ist die Tatsache, dass Konstantin mit der
Schlacht an der Milvischen Brücke eine Wende in der Poli-
tik des Römischen Reiches einleitete, die in der Folgezeit das
Christentum förderte, sowohl die Kooperation von Staat und
Kirche als auch die Christianisierung des Herrschertums kon-
solidierte und somit sowohl die Geschichte des Römischen
Reiches als auch der nachfolgenden Staaten prägte.
Die Stadtrundfahrt am Beginn der Reise führte uns auch an
diesem historischen Ort vorbei.
Künstlerisch umgesetzt finden wir die wichtigsten Stationen
im Leben Konstantins in den Stanzen (Zimmern) des Raffaels
in den Vatikanischen Museen (Apostolischer Palast). In dem
offiziellen Festsaal sind an den vier Wänden die Erscheinung
des Kreuzes, die Schlacht an der Milvischen Brücke, die Taufe
Konstantins, die sog. Konstantinische Schenkung und an der
Decke der Sieg des Christentums über die Heiden dargestellt.
Raffael konnte die Fresken selbst nicht mehr vollenden, der
Saal wurde von seinen Schülern fertiggestellt.
2.
Der sterbende Gallier im Kapitolinischen Museum
: Diese
antike aus Marmor gefertigte Skulptur ist eine römische Kopie
aus dem 1. Jh. n. Chr. nach einem griechischen Bronzeorigi-
nal und gehörte zum Großen Attalischen Weihgeschenk, einem
Siegerdenkmal, das von Attalos I. nach seinem Sieg über die
Kelten im Jahr 230 v. Chr. in Auftrag gegeben wurde und sei-
nen Platz imAthena-Heiligtum in Pergamon hatte. Den Namen
des Schöpfers wissen wir nicht mit Sicherheit. Von diesem epo-
chalen Siegerdenkmal sind nur zwei Marmorkopien aus dem 1.
Jh. n. Chr. mit Sicherheit zuzuordnen. Beide stellen besiegte
Gallier dar. Sie wurden 1622 beim Bau der Villa Ludovisi auf-
gefunden. Die erste dieser sicher zuzuordnenden Gruppe „Der
Gallier und sein Weib“ blieb in der Sammlung Ludovisi und ist
heute im Nationalmuseum in Rom zu bewundern. Die zweite
aus der Gruppe, der „Kapitolinische oder sterbende Gallier“,
gelangte in päpstlichen Besitz und somit in die Kapitolinischen
Museen in Rom.
Selten hat mich eine Skulptur so emotional berührt wie diese!
Tödlich getroffen, noch auf den rechten Arm gestützt, sinkt der
Kopf bereits vorn über. Die blutende Wunde deutlich sichtbar,
wird auch den Körper bald niedersinken lassen. Sein Gesichts-
ausdruck zeugt von Anstrengung: Er legt die Stirn in Falten und
zieht die Augenbrauen etwas zusammen. Eine solche Mimik
ergibt sich, wenn man in einer Bewegung innehält, weil sie
schmerzt. Insgesamt herrscht der Eindruck gespannter Ruhe im
Gesicht des Sterbenden. Die Aussichtslosigkeit der Situation
wird auch durch den unter ihm liegenden Schild deutlich. Sein
Schild dient ihm nicht mehr als Schutzwaffe, sondern als Ster-
belager. Ebenso nutzlos liegt zwischen seinen Beinen das Horn
(
cornu
), das Schlachteninstrument der Gallier, dessen ohrenbe-
täubender Lärm sonst jeden Feind verschreckte. So stirbt er still
und in sich gekehrt. Der Krieg hat ein weiteres Opfer gefordert!
Der Bildhauer hat die gallische Physiognomie sehr wohl ge-
kannt: es waren große, athletisch gebaute Kämpfer, die nackt
in den Krieg zogen. Ihre wilden Haare färbten sie mit Gips, um
sie bedrohlicher wirken zu lassen. Die nicht sehr hohe Stirn, die
tief unter den scharf geschnittenen Augenbrauen liegenden Au-
gen, die langen Nasen mit dem üppigen Mund und dem Ober-
lippenbart setzen sich deutlich von der griechischen Gesichts-
form ab. Der nach vorn offene, aus Golddraht gedrehte Hals-
ring (
torques
) ist typisch für die Gallier und charakterisiert sie
eindeutig als Gallier. Gefertigt auf einer ovalen Plinthe sehen
wir weitere typische Details: den gallischen Ovalschild und das
Horn. Diese Skulptur ist nicht ein-ansichtig, d. h. sie ist voll-
kommen ausgearbeitet. Beim Umschreiten ergeben sich immer
wieder neue Aspekte und Blickwinkel. Einfach ergreifend!
Der sterbende Gallier, Marmorkopie nach einem Bronzeoriginal aus dem gro-
ßen Attalischen Weihgeschenk in Pergamon, Kapitolinisches Museum Rom.
Detail von Abb. 3: Kopf des sterbenden Galliers.
Rückansicht des sterbenden Galliers.