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Seite 56 Informationsblatt 25 Dezember 2013

Beiträge und Berichte

Als Schliemann-Biograf ist Heinrich Alexander Stoll (1910–

1977) bekannt. Sein Gesamtwerk lässt sich in Wissenschaft,

Belletristik und Kinderbücher aufteilen. Seine wissenschaftli-

chen Publikationen blieben von geringer Zahl.

Als Nachlese zu unserer diesjährigen Reise nahm ich Stolls

„Die Grotte von Sperlonga“ (in: Das Altertum VI, 1960, S.

104-120) zur Hand und war sofort gefesselt. Lebendig führt er

uns in die Landschaft der tyrrhenischen Küste, deren Reiz er

aus seinen römischen Jahren (1937-1944) kannte und lässt uns

an den Ausgrabungsergebnissen, Datierungsversuchen und ers-

ten Rekonstruktionsergebnissen teilhaben. Interessant wird der

Bericht durch Stolls kritische Anmerkungen und die eigenen

kunstgeschichtlichen Überlegungen.

Beim Neubau der Küstenstraße entdeckte der Ingenieur Erno

Bellante die Schätze der Grotte. „Am 6. September 1957 begann

Bellante seine Erforschung der Grotte, die vom ersten Tage an

eine Fülle der köstlichsten Fragmente marmorner Skulpturen,

zumTeil von kolossalenAusmaßen, hergab“, schreibt Stoll. Ein

Vergleichmit der berühmten Laokoongruppe weckte die Finder-

eitelkeit von Prof. Jacopi

1

, dem Oberaufseher von Antiken der

Stadt und Provinz Rom. Er übernahm kurzfristig die Ausgra-

bungen und veranlasste am 1. Oktober 1957 den Abtransport

der Funde nach Rom, was glücklicherweise amWiderstand der

Dorfbewohner scheiterte.

1 Anm. d. Redaktion: Stoll schreibt nach Auskunft von B. Unterdörfer „Ja-

kopi“. In der Literatur ist er aber unter Giulio Jacobi zu finden: L’antro

di Tiberio e il Museo Archeologico Nazionale di Sperlonga, 1970.

Als alle Fragmente aus der Grotte geborgen waren, sprach zum

Jahresende 1958 niemand mehr von der Laokoon-Theorie, dar-

gestellt sei eine Skylla-Gruppe, die aber aus der gleichen Werk-

statt stammen könnte. Die kunstgeschichtliche Einordnung der

Funde aus den verschiedenen Epochen war zum damaligen

Zeitpunkt noch in den Anfängen. Stoll lagen nur unzureichende

Fotografien publizierter Einzelstücke vor, und er bemerkt, dass

es „dem Berichterstatter nicht vergönnt war, die Grabung aus

eigener Anschauung kennenzulernen“. Auf seine Anfrage teilt

ihm Prof. Jacopi am 31. 12. 1958 mit, dass er nicht in der Lage

sei, briefliche Auskünfte zu erteilen und verwies auf die künf-

tige Gesamtpublikation. Stoll musste auf Informationsquellen

vorliegender Veröffentlichungen von G. Jacopi, K. Kerenyi und

H. von Heintze zurückgreifen. Alle anderen Fußnoten verwei-

sen auf Quellen in seinen Bücherregalen.

Viele Jahre später bemerkt Stoll zu den Funden von Sperlonga

in einer 1975 erschienenen Rezension für die Deutsche Litera-

turzeitung über den Text-Bildband von Roland Hampe „Sper-

longa und Vergil“ (Verlag Philipp von Zabern, Mainz, 1972):

„Nun wird es B. Conticello, dem neuen Direktor des Museums,

leichter sein, die monströsen Pasticci (Stümpereien) seines Vor-

gängers G. Jacopi, die der Rez. noch 1966 im Museum sah,

wieder auseinanderzunehmen und aus Unsinn, aus Willkür und

vorgefasster Meinung Form und Gestalt zu machen.“

Burkhard Unterdörfer

(Thyrow)

„Die Grotte von Sperlonga“

(Eine Veröffentlichung von H. A. Stoll im Jahre 1960)

In der Grotte von Sperlonga