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Ausstellungserzählung im

Johann-Heinrich-Voß-Literaturhaus in Penzlin

Andrea Rudolph

In die untere Etage des spätbarocken denkmalgeschützten Rektorgebäudes am

Markt ziehen die städtische Regionalbibliothek und Touristinformation ein. Es

oblag uns damit auch, die Ausstellung durch Besucheraktivangebote mit der eine

Treppe tiefer gelegenen Bibliothek gezielt zu verzahnen. Bei tiefer fragendem

oder punktuell eindringendem Wissenwollen finden Besucher dort zu Aussagen,

welche innerhalb der Ausstellung mit einem Lupen-Piktogramm versehen sind,

einen Lesescreen vor. Die Verbindung von Ausstellung und Bibliothek wird zu-

dem durch ein dekoratives Element vermittelt. Die Fenster des Brückengebäu-

des zwischen Voßhaus und Archiv zeigen in Abfolge lateinische und griechische

Buchstaben.

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Unser Ziel: eine mit frischen Impulsen betriebene moderne Literaturausstellung.

Sie soll ein breit gefächertes touristisches Publikum anziehen, zudem auch Brük-

ken in alle Schularten des Landes und in das benachbarte Heinrich-Schliemann-

Museum schlagen.

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Und sie soll mit ihrem Angebot deutschlandweit ausstrahlen

und dem Voß-Literaturhaus einen Platz in den nationalen Literaturhäusern sichern

helfen. Wissensbestände, Sehkonventionen, Erwartungen und Interessen potenti-

eller Besucher, die nach Schulart, Lebensalter und Geschlecht abweichen können,

waren ebenso ernst zu nehmen wie die Verpflichtung der Kuratoren

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, ein Ver-

1

Die Abfolge zitiert eine Entwicklung innerhalb der gesamteuropäischen wie deutschen Antikere-

zeption. Der Schwerpunkt verlagerte sich seit den 1750er Jahren vom antiken Rom auf das antike

Griechenland. Für die Deutschen steht dies im festen Zusammenhang mit ihrer Befreiung von der

lange tonangebenden französischen Kultur. Frankreich, das Europa und das Hofleben vieler deut-

scher Kleinstaatfürsten lange Zeit kulturell dominierte, bezog sich auf Rom, auf seine Staatskunst

und Kultur. Deutsche Literaten sahen in der dominanten römischen Kultur verachtenswerte Elemen-

te eines absolutistischen luxuriösen Hoflebens. Gegen die höfische Rom-Rezeption setzten sie die

menschliche Einfachheit und Natur des griechischen Menschen, die sie bürgerlich verklärten. Voß

hatte die lateinische Überlieferung allerdings nicht beiseite geschoben. Der Idyllendichter nutzte die

Eidyllien des aus Sizilien stammenden Theokrit ebenso wie die lateinischen Eklogen des Vergil. Der

Übersetzer übertrug neben griechischen Dichtern römische (Vergil, Horaz, Tibull, Properz, Ovid).

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Siehe den Konferenzband „Heute in Penzlin daheim. Morgen in der Welt zu Hause“, hg. von Hans-

Joachim Kertscher und Andrea Rudolph, Dettelbach 2014. Die Beiträge erörtern Facetten des

Ausstellungskonzepts. Siehe zudem die von Andrea Rudolph beschrieben Schulprojekte imAntrag

an die Ostdeutsche Sparkassenstiftung (Manuskript: Stadtverwaltung Penzlin).

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Das Ausstellungsdrehbuch wurde erarbeitet von Dr. Adrian Hummel (München), Prof. Dr. Hans-

Joachim Kertscher (Halle), Dr. Heidi Ritter (Halle), Prof. Dr. Andrea Rudolph (Opole/Penzlin).