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ähneln sollten, vertrat Dörpfeld dieselbe Meinung: „Entweder waren es phöniki-
sche Bauleute, welche sowol in Nordafrika, als auch in der argivischen Ebene die
Burgmauern erbaut haben, oder wir haben es hier mit einer Anordnung zu thun,
welche, in der ältesten Zeit von irgendeinem Volke erfunden, allmählich typisch
geworden war und so von mehrern Völkern in gleicher Weise ausgeführt wurde.
... gebe ich der ersten jener beiden Möglichkeiten den Vorzug.“
36
. Diese Deutung
ist heute nur noch von forschungsgeschichtlichem Interesse; sie zeigt aber das
Bemühen Schliemanns und Dörpfelds um eine ethnische Interpretation. Bezüglich
einer Datierung der Palastzerstörung von Tiryns verhielt Dörpfeld sich allerdings
zurückhaltender als Schliemann, der sie und den seines Erachtens gleichzeitigen
Untergang von Mykenai auf etwa 1100 vor Christus schätzte – lediglich 100 Jahre
später als heute angenommen
37
.
Es war auch die Chronologie der Funde von Schliemann und Dörpfeld, um die
nach Erscheinen der englischen Ausgabe von „Tiryns“ ein Streit zwischen Willi-
am Stillman/Francis Penrose und Schliemann/Dörpfeld entbrannte, der in mehre-
ren Zeitungsartikeln von Stillman in „The Nation“ und „The Times“ seinen Aus-
gangspunkt genommen hatte. Stillman hatte dort etwa den Palast von Tiryns in die
byzantinische Zeit datiert und dafür die Zustimmung von Penrose gefunden. Am
2. Juli 1886 kam es deswegen zu einer Sondersitzung der „Society for the Promo-
tion of Hellenic Studies“ mit persönlichen Stellungnahmen von Schliemann, Dör-
pfeld und Penrose, während Stillman nur eine Erklärung verlesen ließ. Nachdem
Penrose auf Einladung Dörpfelds im Oktober 1887 Tiryns und Mykenai besichtigt
hatte, zog er seine Einwände gegen die Ergebnisse Schliemanns und Dörpfelds zu-
rück. Bereits die Ausführungen Dörpfelds auf der Sitzung der Society of Hellenic
Studies sollen viele von seinen und Schliemanns Ergebnissen überzeugt haben.
Als Schlusswort der Kontroverse um Tiryns und Mykenai sowie der gemeinsa-
men Forschungen in Tiryns steht ein Artikel Dörpfelds im „American Journal of
Archaeology“
38
.
Nach dem Tod Schliemanns grub Dörpfeld 1907 und zusammen mit Ludwig Cur-
tius 1905 in der Unterburg, doch ist von diesen Arbeiten wenig publiziert
39
. Dieses
Areal hatte Dörpfeld aufgrund der zusammen mit Schliemann nachgewiesenen
Bebauung mit Wirtschaftsräumen, Stallungen für Pferde und Gebäuden für das
„Gefolge“ in Verbindung gebracht
40
– dennoch galt es bis zu den Grabungen der
36
Dörpfeld in: Schliemann 1886, S. 372–375. Siehe auch Meyer 1958, S. 213f.
37
Dörpfeld in: Schliemann 1886, S. 350; Schliemann 1886, S. 97; Mühlenbruch 2003.
38
Dörpfeld 1889; Evans 1886; Goessler 1951, S. 77; Meyer 1958, S. 242–245, 247–250; Meyer 1969,
S. 351f.
39
Dörpfeld 1907; Grossmann/Schäfer 1971, S. 42.
40
Dörpfeld in: Schliemann 1886, S. 200.