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CarlHumannsTeilnahme anderZweitenHisarlık-Konferenz
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Johanna Auinger
Einleitung
Die beiden deutschen Ausgräber Carl Humann und Heinrich Schliemann haben
mit ihren Großgrabungsprojekten in Pergamon und Troia die Archäologie des
späten 19. Jhs. entscheidend mitgeprägt und die Weichen für das systematische
Arbeiten in der Archäologie Kleinasiens gestellt. Man könnte meinen, dass Hu-
mann und Schliemann Weggefährten waren und in regem Austausch standen –
schließlich waren sie im gleichen Zeitraum der 1870er und 1880er Jahre an der
Westküste Kleinasiens tätig. Aus der Korrespondenz der beiden Ausgräber geht
jedoch eindeutig hervor, dass die Kontaktaufnahme relativ spät stattfand, der Kon-
takt selbst nicht sehr intensiv und stets auf bestimmte Themen fokussiert war. Ein
Brief Humanns an die Berliner Wochen-Zeitschrift „Die Gegenwart“
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, von der
Humann am 4. Januar 1891 gebeten wurde, einen Nachruf auf Schliemann zu ver-
fassen, zeugt davon, dass sich die beiden nicht nahe standen. Humann lehnte mit
folgenden Worten ab (Abb. 1, nächste Seite):
„... ob ich geneigt wäre, für Sie Erinnerungen an Schliemann zu schreiben, ist für
mich sehr ehrenvoll, aber leider kann ich sie nicht ausführen, da ich Schliemann
nur sehr wenig gekannt habe. Ich sah ihn einmal vor 6-7 Jahren auf einige Stunden
in Smyrna und war dann im März 90 mit einer Commission in Troja um in dem
Streite Schliemann − Bötticher ein Urtheil abzugeben. Mitarbeiter Schliemann’s
war ich nie, wie Sie irrthümlich annehmen, denn er hat Troja Tiryns, Mykene etc.
ausgegraben und ging dabei mehr der Mythe, dem Prähistorischen nach, während
meine Ausgrabung in Pergamon, Tralles Magnesia
am
/Mäander der Auffindung
von Werken der klassischen Kunst gelten und in Nord-Syrien den Kunstproduk-
ten der Assyrier und Hethiter. Ich zeigte ihre werthe Zuschrift dem gerade bei mir
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Dieser Beitrag ist die gekürzte Fassung des Vortrages der Verf.; zu dem vom Österreichischen
Wissenschaftsfond geförderten Projekt: "Die Briefe von Carl Humann (1884-1895): Dokumente
früher wissenschaftlicher Kommunikation" (FWF-P 26232) s. ausführlichAuinger 2016 (in Druck).
Für die kritische Durchsicht des Manuskriptes sei herzlichst U. Kästner und M. Maischberger
(beide Staatliche Museen zu Berlin - Antikensammlung) gedankt.
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Briefkopie von Carl Humann: Staatliche Museen zu Berlin – Antikensammlung, Archiv, Rep. 1,
Abt. D (Alphabetisch geordnete Korrespondenz), Korr. 50, V, S. 75. Die Berliner Wochenzeitschrift
„Die Gegenwart“ erschien zwischen 1872 bis 1931; nähere Informationen s.
<https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Gegenwart_(1872-1931)> (19.10.2015).