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Natürlich hatte Herrmann mir gegenüber ein schlechtes Gewissen. Er konnte für
die notwendigen Reisen in die DDR wegen meiner Tätigkeit an seinem Buch na-
türlich beim Devisenmangel seines Staates nichts bezahlen. Andererseits war die
DDR so devisenhungrig, dass sie die internationale Archivabmachung, wonach
Archive in aller Welt kostenlos benutzt werden dürfen, insofern aushebelte, als
von mir verlangt wurde, dass ich von meiner Dissertation (ich war ja noch Stu-
dent!) der DDR auf meine Kosten eine Teilauflage schenken musste, damit ich
wenigstens für die Nicht-Schliemann-Archivalien aus der DDRAbdruckgenehmi-
gungen bekam. Mein Buch sollte zwar nur zum Vertrieb in Albanien, Bulgarien,
China, Jugoslawien, Polen, Rumänien, Sowjetunion, Tschechoslowakei, Ungarn
und natürlich der DDR benutzt werden, wurde aber von der DDR munter vor al-
lem in die westlichen Länder verkauft.
Herrmann selbst fürchtete sich vor der Stasi. Als er mich statt mit einem Honorar
zu beglücken, zu einem Mittagessen in ein DDR-Restaurant einlud, holte er mich
am Bahnhof mit seinem Fahrer ab. Der war Stasi-Mitarbeiter. Woher ich das weiß?
Herrmann gab mir einen unmissverständlichen Knuff in die Seite, als ich im Auto
zu sprechen begann, was Herrmann eben in Gegenwart dieses Menschen nicht
wollte. So fuhren wir dann schweigend Richtung Restaurant, in das der Fahrer
nicht mit hineinkam.
Ich hole nun noch einmal etwas weiter aus und spreche zunächst über einige (bei-
leibe nicht alle) philologische Ungeheuerlichkeiten aus Herrmanns Edition.
Hier sollen nun ein paar ausgewählte Lesefehler in der nicht von mir verantwor-
teten, unter Missbrauch meines Namens herausgekommenen Herrmann-Veröf-
fentlichung folgen:
Zunächst geht es um die Verwechslung von Nase und Nähe. Schliemann schreibt
am 22. September 1883 aus Boulogne-sur-Mer an Virchow:
„Wir bleiben hier so lange als meine Nase für die englischen, deutschen und
französischen Correcturen nöthig [ist]“.
ImOriginal steht: „Wir bleiben hier so lange als meine Nähe für die [...] Correcturen
nöthig“ ist.
Bei Virchows Bemühen, immer wieder Schliemanns Begehren nach medizini-
schen Ferndiagnosen zu erfüllen und Heilungsratschläge für die ganze Großfa-
milie Schliemann zu geben, wird es oft unfreiwillig komisch in den bisherigen
Editionen: