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zwar sehr schön, dass ich die Briefe
gefunden hätte, aber das mache man
in der DDR schon selbst, durfte ich die
Originalhandschriften mehrere Jahr-
zehnte nicht mehr einsehen. Auf wei-
tere Behinderungen meiner Arbeit will
ich hier nicht eingehen. Der Präsident
der DDR-URANIA, Herr Prof. Dr.
Joachim Herrmann, Prähistoriker und
Verwandter des Politbüro-Mitgliedes
Joachim Herrmann (beide bitte nicht zu
verwechseln mit dem heutigen bayri-
schen Innenminister, alle gleichen Na-
mens), entschied als allmächtiger Di-
rektor des Zentralinstituts für Alte Ge-
schichte und Archäologie (ZIAGA) der
DDR-Akademie, die Virchow-Schlie-
mann-Korrespondenz nun ausschließ-
lich als DDR-eigene Publikation zum
Ruhme seines Staates und seiner selbst
herauszubringen.
Fast zwei Jahrzehnte lang passierte dann nicht viel. Schließlich fragte Herrmann bei
mir 1988 an, ob ich bereit sei, ihm schwierige Stellen aus den als unlesbar gelten-
den Virchow-Briefen zu transkribieren. In den Wendemonaten 1989/90 kam dann
unter der Herausgeberschaft Herrmanns heraus, ich zitiere das Titelblatt (Abb. 5):
„Die Korrespondenz zwischen Heinrich Schliemann und Rudolf Virchow 1876–
1890, bearbeitet und herausgegeben von Joachim Herrmann und Evelin Maaß in
Zusammenarbeit mit Christian Andree und Luise Hallof“ im Ost-Berliner Akade-
mie-Verlag mit der Jahreszahl 1990. Aus heutiger Sicht erscheine ich selbst wie
ein Helfershelfer bei dieser wissenschaftlichen Untat. Obwohl Herrmann mich
um Hilfe bat und die Edition allein nicht zu Ende bringen konnte, verweigerte er
mir weiterhin die Einsichtnahme in die DDR-Bestände. Ich besaß inzwischen die
Publikationsrechte der Athener Virchow- und Schliemann-Briefbestände aus der
Gennadius Library. Mein Interesse am Zustandekommen der Herrmann-Publikati-
on war 1988,
vor
dem nicht absehbaren Zusammenbruch der DDR, dass rund 100
Jahre nach dem Tod der Beiden sämtliche erhaltenen Virchow-Schliemann-Briefe
endlich
der internationalen Schliemann-Forschung bekanntgegeben würden.
Gegen Treu und Glauben holte Herrmann zur Sicherung seiner DDR-Ansprü-
che (selbst in Kenntnis, dass ich bereits die Publikationsrechte aus Athen be-
Abb. 5 – Ausgabe von Herrmann/Maaß aus
dem Jahr 1990