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Seite 44 Informationsblatt 28 März 2017

Beiträge und Berichte

behölzern und Kriegsmaterialien (Salpeter, Schwefel und Blei),

und konnte so, da die Kapitalisten Scheu trugen, sich während

des Krimkrieges auf grössere Unternehmungen einzulassen,

beträchtliche Gewinne erzielen und im Laufe eines Jahres mein

Vermögen mehr als verdoppeln.“

3

Nun ist ja das nördliche Ostpreußen eng mit der Geschichte

Deutschlands verbunden. Das Reiseprogramm enthielt alle

für mich wichtigen Orte: In

Tilsit

(heute Sowetsk) verhandelte

Königin Luise mit Napoleon,

Cranz

(Selenogradsk) und

Rau-

schen

(Swetlogrosk) waren beliebte Badeorte im Königsberger

Gebiet.

Pillau

(Baltijsk), der dramatische Fluchtort tausender

Menschen im Januar 1945, war auch Richard Wagners Flucht-

hafen, als er 1839 mit seiner Frau Minna vor seinen Gläubigern

aus Riga, Magdeburg und Königsberg nach London floh. Seine

Erlebnisse verarbeitete er später in seiner Oper „Der fliegende

Holländer“.

Trakehnen

(Jasnaja Poljana) gilt heute noch als das „Heiligtum

der Pferde“, obwohl nur noch sehr wenig an das berühmte Ge-

stüt erinnert. In

Gumbinnen

(Gusev) gewährte König Friedrich

Wilhelm I. Glaubensflüchtlingen aus Europa, insbesondere

aus Salzburg Asyl und Vergünstigungen und besiedelte so das

durch die Pest entvölkerte Land. Auf der

kurischen Nehrung

befindet sich die älteste Vogelwarte der Welt. Thomas Mann er-

warb 1930 ein Sommerhaus in

Nidden

(Nida), das er nur zwei

Sommer nutzen durfte. Es beherbergt heute ein Museum. Der

Ausblick vom Thomas-Mann-Haus auf die kurische Nehrung

ist beeindruckend. Wilhelm Humboldts Ausspruch „Wenn ei-

nem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen sollte, muss

man die Kurische Nehrung gesehen haben“ unterstreicht dies in

wunderbarer Weise.

Memel

(Klaipeda) ist die Heimat von Simon Dach, der die 17

Strophen des Liedes „Ännchen von Tharau“ in samländischem

Niederdeutsch verfasste. Anlass war die Hochzeit der Anna Ne-

ander mit dem Pfarrer Johannes Portatius 1636. Vor dem Thea-

ter, an dem Minna Wagner 1836 mit der Königsberger Truppe

spielte, steht das Simon-Dach-Denkmal mit dem Ännchen von

Tharau.

Königsberg

(Kaliningrad) ist nicht nur der Geburtsort von Im-

manuel Kant, in dem er seine philosophische Lehre entwickel-

te, auch Käthe Kollwitz ist ein Kind von Königsberg, ebenso

wie E. T. A. Hoffmann und Christoph Gottsched, sondern auch

die

Stadt in Ostpreußen. Der brandenburgische Kurfürst Fried-

rich III. krönte sich in der Schlosskirche am 18. Januar 1701

als König Friedrich I. zum „König in Preußen“. Während der

französischen Besetzung Berlins regierte König Friedrich Wil-

helm III. Preußen von Königsberg aus. Nicht zuletzt verlor sich

in Königsberg die Spur des legendären Bernsteinzimmers am

Ende des 2. Weltkrieges.

Also Gründe genug, sich mit Wagner auf Schliemanns Spuren

in Ostpreußen zu begeben.

Wir flogen von Berlin nach Riga. Dort erwartete uns die Rei-

seleiterin Larissa, eine profunde Kennerin Ostpreußens, wie

sie in den folgenden Tagen beweisen konnte. Wir durchfuhren

3 Heinrich Schliemann: Ilios, Stadt und Land der Trojaner, Leipzig 1880, S.

15-17.

Lettland und Litauen, beides zur EU gehörend. Über die Kö-

nigin-Luise-Brücke reisten wir nach Tilsit in den Kaliningra-

der Oblast ein. Fotografieren verboten, Grenzkontrolle wie zu

DDR-Zeiten, längst vergessen und doch sofort wieder präsent

(Abb. 1). Sie wurde im Oktober 1907 eingeweiht: 100 Jahre

nach dem Frieden von Tilsit und Luises Bittgang zu Napoleon.

In Königsberg angekommen, bezogen wir unsere Zimmer in

einem wirklich sehr schönen Radisson Blu Hotel. Von hier aus

werden wir in den nächsten Tagen Ostpreußen erkunden und

Wagners und Minna Planers Spuren finden.

Obwohl mir Richard Wagner, seine Familie und Nachfahren

nicht fremd waren, war mir Minna Wagner, geb. Planer, voll-

kommen unbekannt. In vielen Biografien über Richard Wagner

und seiner Familie finden wir über seine erste Frau Minna so

gut wie nichts.

Richard Wagner wurde am 22. Mai 1813 in Leipzig als neun-

tes Kind des Polizeiaktuarius Carl Friedrich Wagner und seiner

Frau Johanna Rosine Wagner, geb. Pätz, geboren. 1831 begann

er an der Universität in Leipzig ein Musikstudium. 1834 wurde

er Dirigent einer Operntruppe in Leipzig. Hier verliebte er sich

in die Schauspielerin Minna Planer und folgte ihr nach Königs-

berg, wo sie ein Engagement am dortigen Theater hatte. Richard

Wagner wurde Kapellmeister zunächst am Königsberger Thea-

ter, ab 1837 in Riga. Wie so oft in Wagners Leben musste das

Ehepaar 1839 Riga hochverschuldet fluchtartig verlassen, um

aus Pillau mit dem Schiff „Thetis“ zunächst nach London zu

fliehen. 1840 erfolgte der Umzug nach Paris, wo Wagner für ein

Baguette und eine Flasche Wein seine Eheringe versetzte und

das Ehepaar auch weiterhin immer noch in größter Not sein

Dasein fristete. Erst mit der Aufführung des „Rienzi“ begann

sein Stern zu strahlen. Die finanzielle Förderung und die Gunst

König Ludwigs II. befreite ihn ab 1864 von seinen großen

Schulden.

4

Emil Ludwig schreibt in seinem Wagner-Roman „Wagner oder

die Entzauberten“: „Wagner hat, dreiundzwanzigjährig, eine

schöne Schauspielerin geheiratet und mehr als fünfundzwan-

zig Jahre dauernd mit ihr gelebt. Sie war nicht seine Gefährtin,

4 Sibylle Zehle: Minna Wagner – eine Spurensuche, Hamburg 2013, S. 7 -10.

Abb. 1 – Königin-Luise-Brücke in Tilsit