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Seite 45

Informationsblatt 28 März 2017

Beiträge und Berichte

aber wenn die Seinen über dieses

‚Schicksal‘ klagen, übersehen sie

dessen Symbole. Das ist nicht ein

Mädchen, dem er die Ehe verspro-

chen hat, oder eine reiche Frau, die

er aus Not geheiratet hat. Sondern:

‚Ich war verliebt und heiratete in

heftigem Eigensinn.‘“

5

(Abb. 2)

Für Minna Wagner (1809-1866),

stand Richard Wagner mehr als

die Hälfte ihres Lebens im Mittel-

punkt ihres Denkens und Handelns,

schreibt ihre Biografin Sibylle Zehle. Sie stellt weiter fest, dass

Wagner an ihrer Seite alle Werke von „Rienzi“ bis „Parsifal“

komponiert bzw. konzipiert hat. Fast sein gesamtes Lebenswerk

entstand vor der legendären Beziehung zu Cosima. Damit war

Minna Wagner seinem Werk näher gestellt als Cosima es war.

Sie erkannte auch sein Genie, nur sie erwartete auch, dass er

dieses wunderbare Talent zum Geldverdienen benutzte. Sie

suchte ein Nest, er den Abgrund, schreibt Sibylle Zehle weiter.

Minna liebte den Mann, nicht das Genie. Wagner aber brauch-

te Musen, keine Frau, die mit Wutanfällen reagierend in einen

Rausch flüchtete (Opium und Laudanum). Während Minna in

Dresden ein bescheidenes Leben führte, begann ihr Mann in

den Armen von Cosima und mit der Gunst Königs Ludwig II.

ein neues Leben. Sie teilte sein Elend mit Richard Wagner, das

Glück war der anderen vorbehalten, die ihn 47 Jahre überleb-

te, ihm Kinder schenkte und das „System“ Wagner begründete.

Cosima hat das Leben Wagners kontrolliert und zensiert. So

wurde Minna das erste Opfer und nicht ihr letztes.

Die Tragheimer Kirche in

Königsberg, in der Minna

und Richard am 24. Oktober

1836 heirateten, ist, wie so

viele Kirchen zerstört und

überbaut, wie so vieles im

heutigen Kaliningrad. Die-

se Stadt wird dem Namen

„Königsberg“ nicht mehr

gerecht. Die Königin-Luise-

Gedächtniskirche „überleb-

te“ nur dadurch, weil sie zu

einem Puppentheater umge-

baut wurde und somit dem

bereits geplanten Abriss ent-

ging (Abb. 3).

Parallelen zu sinnlosen Zerstörungen von kulturellen Denkmä-

lern in den 1960er Jahren der DDR-Zeit sind unübersehbar. In

Kaliningrad ist nur die Dimension um ein vielfaches größer:

1969 wurden die Überreste des völlig zerstörten Königsberger

Schlosses durch Sprengung beseitigt. Das Haus der Sowjets,

das neben dem Standort des ehemaligen Schlosses errichtet

wurde, blieb bis heute aufgrund von statischen Problemen eine

Bauruine. Die Ruinen der ehemaligen Königsberger Innenstadt

wurden großflächig abgeräumt und das weitläufige, planierte

5 Emil Ludwig: Wagner oder die Entzauberten, Berlin 1913, S.25.

Areal zu Grün- und Freiflächen umgewandelt oder mit Hoch-

haussiedlungen in Plattenbauweise bebaut (Abb. 4).

Keine Spur mehr von

dem Kneiphof, der

Grünen Brücke und

dem Grünen Tor. In

demReprint der „Bau-

und Kunstdenkmäler

in Königsberg“ aus

dem Jahr 1897 fand

ich eine Aufnahme

der Kneiphöfischen

Langgasse mit dem

Grünen Tor, in der

sich auch das Hotel

„De Prusse“ befunden

haben könnte, in dem Heinrich Schliemann am 3. Oktober1854

übernachtete und aus dessen Fenster er den Turm mit der für

ihn so bedeutsamen Inschrift sehen konnte. (Abb. 5) Der Turm

besaß an jeder Seite in Messingbuchstaben gefasste Inschriften:

Auf der Vorstadtseite:

Sint aliis turres, sit inexpugnabile vallum,

Nos Deus et rectum simplicitasque tegant.

6

Auf den Querseiten:

Pietate et Justitia principes Dii fiunt.

Assidua lenitas contemptum facit.

7

Omni timore deposito reipublicae debemus libere consulere.

Jus et aequitas sunt vincula civitatum.

8

Auf der Langgassenseite befand sich die von Schliemann zi-

tierte Inschrift.

In der Laterne befand sich eine Stundenglocke mit der Inschrift

Durch das Feuer bin ich geflossen.

Martin Ullmann hat mich gegossen.

(1606)

6 Anm. der Redaktion: Für andere seien Türme, sei der uneinnehmbare Wall.

Uns mögen Gott, Tugend und Aufrichtigkeit beschützen.

7 Anm. der Redaktion: Götter formen Fürsten nach Frömmigkeit und Gerech-

tigkeit. Beständige Milde erzeugt Verachtung.

8 Anm. der Redaktion: Ohne jede Furcht müssen wir frei für den Staat sorgen.

Recht und Gleichheit sind das einigende Band des Staates.

Abb. 2 – Minna Planer

Abb. 3 – Königin-Luise-Kirche in Kö-

nigsberg, jetzt: Puppentheater

Abb. 4 – Magistrale in Königsberg, links im Bild der Dom

Abb. 5 – Blick auf den Grünen Turm aus der

Kneiphöfischen Langgasse