Seite 40 Informationsblatt 27 März 2016
zwei Drittel des Jahres (Frühling, Sommer und Herbst) über
der Erde an der Seite ihrer Mutter zubringen, ein Drittel aber
(Winter) an der Seite ihres Ehemanns Hades in der Unterwelt
herrschen soll. Dieser Erklärungsmythos der Jahreszeiten war
in der Antike weit verbreitet.
Auch Syrakus und Neapoli ist von Legenden und Mythen
umwoben. Bei der Besichtigung des Parco Archeologico del-
la Neapolis sahen wir unter anderem auch die Steinbrüche, in
denen nach der Niederlage im Krieg gegen Syrakus von 413 v.
u. Z. 7000 athenische Kriegsgefangene schuften mussten. Von
einem dieser Steinbrüche, dem Oreccio di Dyonisio, dem „Ohr
des Dionysios“, berichtet die Legende, dass der Tyrann Diony-
sios I. die Gespräche seiner Gefangenen belauscht haben soll.
Von der hervorragenden Akustik des 65 m langen und 23 m
hohen Ganges konnten wir uns selbst überzeugen.
Nach einer kurzen Busfahrt erreichten wir Syrakus mit seiner
Altstadt auf der Insel Ortygia. Die Besichtigung des Duomo
war einer der Höhepunkte unserer Studienreise. Die heute vor-
gesetzte Barockfassade wurde in den Jahren 1728-1754 erbaut.
Das Bauwerk selbst blickt jedoch auf eine viel ältere Geschich-
te zurück. An dieser Stelle errichtete man im 5. Jh. in Erin-
nerung an die Schlacht von Himera einen Athena-Tempel, der
bereits im nachchristlichen 7. Jh. in eine christliche Basilika
umgebaut wurde. Davon zeugen bis heute die Säulenhalle und
die Cella.
In Syrakus wird die Stadtheilige Santa Lucia verehrt, der zu
Ehren vom 1. Maisonntag an ein einwöchiges Festival mit Pro-
zession veranstaltet wird. Natürlich fragten wir uns, wie die
„Lichtgestalt“ aus dem fernen Schweden hier im lichtdurchflu-
teten Sizilien eine so große Verehrung finden kann. Lucia wur-
de um 283 in Syrakus geboren und verstarb um 304 in Italien.
Dass sie wirklich gelebt hat, weiß man von einer Grabinschrift
(um 400) aus der Katakombe San Giovanni in Syrakus. Um
600 gab es schon Lucien-Klöster in Syrakus und Rom.
Ihre Märtyrer-Legende besagt, dass Lucia die Tochter eines
reichen römischen Bürgers von Syrakus war. Ihr Vater verstarb
früh. Die Mutter Eutychia wollte sie verheiraten, aber Lucia
hatte ihre Jungfräulichkeit Christus geweiht. Anlässlich einer
Wallfahrt zum Grab der Hl. Agata von Catania wurde ihre
Mutter vom Blutfluss geheilt und stimmte der Ehelosigkeit ih-
rer Tochter zu. Der als Ehemann Zurückgewiesene verklagte
Lucia als Christin. Daraufhin setzte ihre Verfolgung durch das
diokletianische Gericht ein. Ihrer habhaft geworden, wollte der
Richter Paschasius sie in ein Bordell bringen lassen, doch der
Wagen konnte selbst von 1000 Ochsen nicht bewegt werden.
Nach vielen Martern soll sie durch einen Schwertstich in den
Hals – andere berichten, dass man ihr die Augen herausriss –
getötet worden sein.
Eine im Altertum bekannte mythologische Sage ist ebenfalls
in Ortygia angesiedelt. Wir besichtigten diesen Ort. Ein heute
halbkreisförmiges mit Papyrusstauden bewachsenes Wasserbe-
cken schließt die berühmte Süßwasserquelle Arethusa (Abb. 5)
ein. Die ungewöhnliche Konstellation einer Süßwasserquelle in
unmittelbarer Nähe zum Meer lud geradezu zur Sagenbildung
ein. So soll der Sage nach der Flussgott Alpheios die Wald-
Beiträge und Berichte
Abb. 5 – Arethusa-Quelle