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Seite 24 Informationsblatt 24 Dezember 2012

Sonderausstellungen

Vom 4. April bis zum 29. Juli 2012 zeigte das Heinrich-Schlie-

mann-Museum in Ankershagen eine ganz außergewöhnliche

Sonderausstellung: „60 Jahre Entzifferung von Linear B –

Kunst und Wissenschaft“. Linear B ist eine Schrift, die zwi-

schen dem 15. und 13. Jahrhundert v. Chr. im minoischen Kreta

und im mykenischen Griechenland benutzt wurde. Ihren etwas

sperrigen Namen erhielt sie durch Sir Arthur Evans, der seit

1900 den großen Palast von Knossos ausgrub und dort gleich

zu Beginn seiner Arbeiten die ersten Tontafeln mit diesen ge-

heimnisvollen Schriftzeichen fand. Entziffert wurde Linear B

durch den britischen Architekten Michael Ventris (1922-1956),

der am 1. Juni 1952 behauptete, dass Linear B ein altertümli-

ches Griechisch wiedergibt. Das war eine Sensation! Hatte man

doch nun den Beweis, dass tatsächlich Griechen einst gegen

Troia zogen. Schnell gab es Anhänger und Gegner dieses Ent-

zifferungsvorschlags. Heute arbeitet an den rund 5000 Tonta-

feln u. a. aus Knossos, Pylos, Theben und Mykene weltweit

eine kleine Anzahl von Forschern, darunter auch der Leiter des

HSM Dr. Reinhard Witte, der auch für die wissenschaftliche

Seite der Sonderausstellung verantwortlich war.

Im Mittelpunkt der Schau stand aber die Kunst. Der aus Grie-

chenland stammende und seit über 20 Jahren in Rüsselsheim le-

bende Künstler Nikos Samartzidis benutzt die rund 90 Schrift-

und 150 Bildzeichen (Ideogramme), die es in Linear B gibt, in

künstlerischer Hinsicht. So entstehen mit Acrylfarben oder Tu-

sche groß- und kleinformatige Bilder auf Leinwand, Sperrholz

und Papier, die den Betrachter in ihren Bann ziehen – vielleicht

gerade deswegen, weil er von der Schönheit der Schriftzeichen,

die er erst einmal nicht lesen kann, beeindruckt ist. Auf diesen

Kunstwerken stehen in Linear-B-Schrift Texte von Nikos Ka-

zantzakis, Jannis Ritsos, Jorgos Seferis oder vom ersten Dich-

ter des Abendlandes Homer. Es sind also

literarische

Texte, die

wir aus dem ursprünglichen Linear-B-Material nicht kennen.

Da gibt es „nur“ Wirtschaftstexte, die z. B. aufzeichnen, was

wem gehört. Nikos Samartzidis hat mit viel Liebe zum Detail

diese Lücke geschlossen, indem er große griechische Poesie in

Linear B übertrug.

Die Ausstellung zeigte über 20 großformatige Arbeiten, ca. 30

Tontafeln, CDs mit eingravierten Linear-B-Zeichen, Informa-

tionstafeln und Bücher zur Forschungsgeschichte. Viel Freude

hatten die Besucher dadurch, dass sie mit einer Liste der entzif-

„60 Jahre Entzifferung von Linear B – Kunst und Wissenschaft“ –

Sonderausstellung im Heinrich-Schliemann-Museum Ankershagen

04. 04. 2012 – 29. 07. 2012

Nikos Samartzidis und seine Frau beim Aufbau der Sonderausstellung über

Linear B

Auch junge Museumsbesucher hatten viel Spaß beim „Entziffern“

In den Vitrinen lagen auch Linear-B-Tontafeln (neu hergestellt!)