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stellen zumuten. Die Ausstellung gibt mit dem Eingang in die „Odyssee“ zunächst

ein Hörbeispiel für den Klang der griechischen Ursprache, um dann die rhythmi-

sche Kraft der Vossischen Übersetzung zu Gehör zu bringen.

Neben dieser Anwendung planen wir für den Lesescreen eine Animation, die hu-

moristisch aufgreift, dass eine solche Wirkung des Hexameters unter den Augen

des Goetheschen Freundeskreises Goethe selbst widerfuhr. Schenkt man Karl Au-

gust Böttigers Bericht Glauben, Böttiger war Altertumskenner, aber auch Klatsch

indiskret weitertragender Journalist, hatte sich der bereits saturiert erscheinende

Goethe bei der Lektüre von Vossens „Ilias“ verjüngt.

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Vossens dem Griechischen nachgebildeter Satzbau wirkte sprachschöpferisch, hat-

te Georg Gottfried Gervinus gelobt.

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Beweisstücke dürfen nicht fehlen. Unterhalb

der Literaturveranschaulichung – unternommen mit John Flaxmans Umrisszeich-

nungen für die „Odyssee“ und mit Filmstandbildern aus Wolf Petersens „Troja“

(2005) für die „Ilias“ – sind den Epen entnommene Fragmente angebracht. Der

aufmerksame Leser entdeckt Wortneuschöpfungen und eine unübliche Anordnung

von Wörtern im Satz, Belege für Vossens „griechenzendes Deutsch“.

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Eine Bemerkung noch zu der Erwartung, innerhalb der Ausstellung explizit auf

die Übersetzungstätigkeit von Voß zu stoßen. Eine solche Schwerpunktsetzung

wurde in der Diskussion von einigen Fördermittelgebern hoch priorisiert. Dies-

bezüglich fiel eine begründete Entscheidung: Die Ausstellung zitiert Vossens er-

träumten Übersetzungsauftrag und seine sich zur Antike hinwendende Überset-

zungshaltung. Voß als übersetzenden Akteur in den Blick zu nehmen, beabsichtigt

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Vielleicht wäre dies humoristisch in eine Computersimulation am Lesescreen übersetzbar. Even-

tuell nutzt der Graphiker ein Sitzbild des alternden Goethe und gruppiert um einen gezeichneten

Tisch weitere Personensilhouetten, in die die Namen Wieland, Herder, Böttiger eingeschrieben

werden, eine weitere bleibt leer – der abwesende Voß. Ein Sachtext beschreibt zunächst die Si-

tuation: Angeregt von Vossens Besuch lud Goethe regelmäßig am Freitagabend Wieland, Herder,

Böttiger und andere in sein Haus ein. Während er die „Ilias“ in der Übersetzung von Voß rezitiert,

verfolgen die um den Tisch sitzenden Freunde der Gelehrsamkeit den griechischen Originaltext,

manchmal werfen sie philosophische oder literarische Kommentare ein. Unter die Lesegesell-

schafts-Zeichnung oder Goethezeichnung käme dann das schöne Zitat zur Lektürewirkung, die

sich sonst ja kaum fassen lässt: „Jetzt hat er fast alles von seiner schlanken Apollo-Figur durch das

sich überall ansetzende Fett verloren [...] und seine Augen sitzen im Fett der Backen. Nur wenn er

aus Voßens Iliade vorließt, verherrlicht sich seine Gestalt und da, sagte mir Schütz, der ihn vor 10

Jahren kannte, finde ich den alten Göthe wieder.“ Zit. nach Goethe. Begegnungen und Gespräche,

begründet von Ernst Grumach und Renate Grumach, Bd. IV, 1793-1799, hg. von Renate Grumach,

Berlin und New York 1980, S. 106.

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Georg Gottfried Gervinus: Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen, Leipzig

1835, Bd. 5, S. 532.

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Wielands Briefwechsel, hg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

durch Siegfried Scheible, Bd. 14, Oldenbourg 1963, S. 462.