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sie nicht. Kaum ein Besucher verfügt heute noch über Kenntnisse in der altgriechi-

schen Sprache. Ein geduldiges Versenken in Texte, ein teilnehmendes Interesse an

übersetzerischen Fragestellungen, kann nicht erwartet werden.

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Die Bedeutung und Wirkungsgeschichte der Vossischen Übersetzungen Homers

suchen wir auf eine Weise deutlich zu machen, die nach Möglichkeit die Bevöl-

kerung einbezieht und Identifikationsmöglichkeiten mit der Ausstellung schafft.

Wir entwickeln eine optisch attraktive Buch-Regalkonstruktion und starten an Be-

sucher und Bevölkerung einen Sammlungsaufruf. Das Regal dokumentiert deren

Mitwirkung an der Ausstellung und zeigt zudem: Vossens Übersetzungen haben

eine breite kulturelle Streuwirkung bis ins 20. Jahrhundert hinein ausgeübt. Sie

finden sich in Schullehrbüchern, Volksausgaben usw.

Zudem begrüßen wir pädagogische Projekte, für die Schüler bei uns nicht nur

einen Ausstellungsrahmen, sondern auch einen Werkstatt-Raum vorfinden, gute

Bedingungen mithin, unter kundiger Anleitung ihrer Griechischlehrer zu prüfen,

ob und inwiefern die übersetzerischen Ergebnisse Auskunft über die zitierte aus-

gangssprachenorientierte Übersetzungshaltung geben.

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Kabinett 6: Traumbegegnung mit Homer.

Der erträumte Übersetzungsauftrag

Großformatig und ausdrucksstark setzen wir Vossens Selbstzuschreibung eines

Übersetzungsauftrags (in der Ausgabe der „Ilias“ von 1793) ins Bild. Dabei erfährt

der Besucher aus Vossens eigenem Mund, dass er von Homer persönlich inspiriert

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Die Gründe hierfür liegen in einer stark dem Wandel unterworfenen Bildungssozialisation. Das

gesamte 19. Jahrhundert hindurch und noch in den ersten Dezennien des 20. Jahrhunderts wuchsen

an humanistischen Gymnasien und deutschsprachigen Universitäten Generationen mit Homer auf.

Seit Wilhelm v. Humboldts Einführung des für jeden Aufstiegsaspiranten als verbindlich geltenden

Humanistischen Gymnasiums bis zur Preußischen Schulreform von 1900, mithin beinahe über 100

Jahre hinweg, war ein Hochschulzugang ohne Griechisch und damit ohne das Studium der Texte

Homers in Preußen, aber auch in den meisten deutschsprachigen Ländern Europas kaum möglich.

Siehe Joachim Latacz: Homer in Europa. In ders: Homers Ilias: Studien zu Dichter, Werk und

Rezeption. Berlin 2014. S. 113. Diese Situation ist nun schon 100 Jahre lang Geschichte.

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Hingewiesen sei auf folgende Forschungen: grundlegend Günter Haentzschel: Johann HeinrichVoß.

Seine Homer-Übersetzung als sprachschöpferische Leistung (Zemata, 68), München 1977; ders:

Die Ausbildung der deutschen Literatursprache durch Übersetzungen. Homer-Verdeutschungen

als produktive Kraft. In: Mehrsprachigkeit in der deutschen Aufklärung, hg. v. Dieter Kimpel,

Hamburg 1985, S. 117-132; ders.: Die Homerübersetzungen von Johann Heinrich Voß. In: Homer,

„Ilias“. „Odyssee“. Aus dem Griechischen übersetzt von Johann Heinrich Voß. Text der Ausgabe

letzter Hand von 1821, Stuttgart 2010, S. 992-1006 wie auf neueste Forschungen: Anne Baillot,

Enrica Fantino, Josefine Kitzbichker (Hg.): Voß’Übersetzungssprache. Voraussetzungen, Kontexte,

Folgen, Berlin, München, Boston 2015.