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Das Vertrauen Schliemanns in Dörpfeld können wir auch einem weiteren Brief an
Virchow entnehmen, als Schliemann in der zweiten Aprilhälfte und Anfang Mai
1884 in Athen weilte: „Aber während meiner langen Abwesenheit hat mein Archi-
tekt und Mitarbeiter Dr. Dörpfeld, die Ausgrabungen mit aller Kraft fortgesetzt.“
17
.
So wurden bis Mitte Mai beide „Megara“ und wahrscheinlich der innere Vorhof
sowie der Palasthof freigelegt
18
, so dass Schliemann einen Plan der Oberburg an
den britischen Architekten James Fergusson schicken konnte. Dieser bestärkte
Schliemann darin, dass die Ähnlichkeit der „Megara“ von Tiryns und Troia II so
überzeugend wäre, dass beide Anlagen zeitgleich sein und zur selben Zivilisation
gehören müssten – eine Ansicht, die zuerst Dörpfeld vertreten haben soll
19
. Folge-
richtig verglich Dörpfeld daher in der Abschlusspublikation die Pläne von Tiryns
und Troia II miteinander und interpretierte sie anhand der homerischen Quellen
20
.
Wie wir heute allerdings wissen, gehören Troia II, Tiryns und Homer drei unter-
schiedlichen Epochen an und stehen in keinem chronologischen Zusammenhang
zueinander, weshalb der Begriff „Megaron“ für die so bezeichneten Gebäude in
Tiryns wie in Troia problematisch ist
21
.
Nachdem große Teile der Oberburg 1884 freigelegt worden waren, war es das Ziel
der 1885er Kampagne, die Umfassungsmauer der Oberburg freizulegen. Diese
Grabung, die von Mitte April bis Mitte Juni 1885 dauerte, leitete Dörpfeld vor
Ort; zu seiner Unterstützung war der Berliner Architekt Georg Kawerau zusätzlich
eingestellt worden
22
.
Bevor man sich an die Arbeiten an der Befestigung begeben konnte, musste je-
doch der Schutt der 1884er Grabung, der an die Hänge des Felsrückens geworfen
worden war, entfernt werden. Er wurde auf den umliegenden Feldern verteilt
23
,
wozu vorher eine Absprache mit den Bauern nötig war. Dörpfeld schrieb daher am
26. April aus Nauplia an Schliemann, dass er die Äcker erst nach dem Abmähen
des Getreides benötigen werde, so dass er ohne Entschädigung der Bauern aus-
kommen dürfte
24
. Da die Ackerbauschule als Unterkunft zu teuer sei und es dort
Ungeziefer gäbe, habe er „das kleine Häuschen an der anderen Seite der Straße,
wo im vorigen Jahr anfangs das Museum war, gemiethet, damit daselbst die Ge-
räthe aufbewahrt werden... “. Skorpione, so Dörpfeld weiter, beeinträchtigten die
17
Herrmann/Maaß 1990, S. 401f.
18
Herrmann/Maaß 1990, S. 402f.; Meyer 1958, S. 189f.
19
Herrmann/Maaß 1990, S. 405.
20
Dörpfeld in: Schliemann 1886, S. 236–260; siehe auch Meyer 1969, S. 345.
21
Jung 2000.
22
Dörpfeld in: Schliemann 1886, S. 353.
23
Dörpfeld in: Schliemann 1886, S. 354.
24
Meyer 1958, S. 209.