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rühmte, die ersten Kykladenidole nach Paris gebracht zu haben,

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selbst zu Wort

kommen. 1873 erschien zuerst auf Französisch, dann 1875 auf Deutsch sein Werk

„Die Anfänge der Cultur. Geschichtliche und archäologische Studien“. Er sah wie

schon einige vor ihm Kykladenidole als Darstellung einer asiatischen Venus und

damit als Zeugnisse phönizischer Kolonisation der Inseln: „Gleichfalls auf die

Zeit der phönicischen Herrschaft führe ich gewisse Figürchen aus Marmor oder

Terracotta zurück, welche, ebenso schwerfällig gearbeitet und fremdartigen Aus-

sehens wie die sardinischen Idole, das Bild der asiatischen Venus nackend und mit

gekreuzten Armen“

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. Seine Bemerkungen zur frühkykladischen Plastik finden

sich daher konsequenterweise auch im Band zu Chaldäa, Assyrien und Phönicien.

Er folgt jedoch nicht Ross in der Annahme, dass Idole und Obsidianklingen in

den gleichen Kontexten zu finden sind, und trennt beides chronologisch. Obsi-

dianklingen und primitive Tongefäße, so Lenormant, sind ältere Zeugnisse einer

Urbevölkerung, Idole jedoch jüngere Zeugnisse der phönizischen Kolonisation.

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Um beispielhaft die Entwicklung in französischen Museen zu illustrieren, sei be-

züglich der Akquise frühkykladischer Objekte ein Blick auf den Louvre geworfen.

Das erste frühkykladische Objekt, das in den Louvre gelangte, wurde 1873 von

O. Rayet dem Museum geschenkt. Es handelt sich um den berühmten Kopf eines

einst 1,50 m messenden Idols

52

.

Charles Newton, der damalige Kurator der Antikenabteilung des British Muse-

um, äußerte sich in einer 1878 erschienenen Besprechung von Schliemanns Buch

„Mycenae“ ebenfalls zu frühkykladischer Plastik. Er verzichtet allerdings auf die

ethnische Diskussion, vergleicht aber die Rohheit der Figuren mit Kunstwerken

von wilden Völkern: „Ruder and perhaps even more ancient […] are the little

marble idols representing a naked female figure which are occasionally found in

the Greek islands. These figures, which range from 10 to 15 inches in height,

remind us at once of the rude carvings of savage races, such as may be seen in

ethnographical collections“. Newton hatte zu dieser Zeit bereits eine ganze Reihe

frühkykladischer Antiken im British Museum und besprach im gleichen Jahr auch

die Idole in dem von ihm verfassten Sammlungsführer

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. Dort erwähnt er zwar

die karische Deutung, bezieht dazu aber keine Stellung. Allgemein scheint die

britische Archäologie der Zeit wenig geneigt, auf die Diskussion zur ethnischen

Deutung der Kykladenkultur einzugehen.

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Lenormant 1875, 251.

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Lenormant 1875, 251.

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Lenormant 1875, 267 f.

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Inv. Nr. Ma 2709. 1876 gelangten die nächsten beiden frühkykladischen Idole als Geschenk von G.

Hinstin in den Louvre (Ma 2707 und 2808). Siehe auch Hamiaux 1992, 30–32. Für die Auskunft

danke ich A. Scherer vom Musée du Louvre.

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Newton 1878a, 40–42. Zu Newtons Wirken und Verdienst siehe Fitton 1996, 31–33.