Seite 38 Informationsblatt 28 März 2017
Im vorjährigen Informationsblatt habe ich über Schliemanns
Mitgliedschaft in einer Pariser Freimaurerloge berichtet.
Diese Information hat ein erfreuliches Echo ausgelöst (sie-
he die Rezension meines Buches von Prof. Jähne). Ich war
davon ausgegangen, dass Heinrich Schliemann nach seinem
Wohnungswechsel nach Athen auch Angehöriger einer der
dortigen Logen gewesen war. Das konnte ich bisher nicht
nachweisen, da alle schriftlichen Unterlagen der 1867 ge-
gründeten Mutterloge „Großorient von Griechenland“, zu
der 1930 noch 19 Logen in Athen gehört haben sollen, wäh-
rend des zweiten Weltkrieges vernichtet worden sind.
Bei meinen Recherchen in Schliemanns schriftlichem Nach-
lass in der Gennadius Library in Athen fiel mir ein Brief
von Schliemanns Architekten Ernst Ziller (1837-1923) in die
Hände, den er ein Jahr vor Schliemanns Tod an diesen ge-
richtet hatte. Dieser hat folgenden Wortlaut:
Athen, den 15. Okt. 1889.
Hochverehrter Herr Doctor!
Die Freimaurerloge hat sich schon lange mit der Idee be-
schäftigt ein eigenes Logenhaus zu bauen, um aus der Unan-
nehmlichkeit des Miethens und Umziehens, was auch kost-
spielig ist, heraus zu kommen.
Man will 1/3 des Gebäudes anzahlen, und das Übrige ver-
zinsen und in einer Reihe von Jahren abzahlen.
Man berieth was man wohl thun solle. Solle man sich an die
hiesige Baugesellschaft wenden? Nein! Meinten andere: es
ist das Beste, wenn wir uns an den Herrn Doctor Schliemann
wenden, als einen der Unsrigen, und anfragen, ob er geneigt
sei, unter ähnlichen Bedingungen, wie er das Deutsche Ar-
chäologische Institut hergestellt hat, auch uns auf diese Wei-
se zu helfen.
Gestern, nun bekam ich eine Einladung in die Loge zu kom-
men, wo die Herrn beisammen saßen und Ihnen schrieben.
In obiger Angelegenheit also, will man bei Ihnen anfragen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebenster
E. Ziller
Dass im Brief Schliemann im Zusammenhang mit dem
Deutschen Archäologischen Institut (DAI) erwähnt wird,
hat folgende Bewandtnis:
Das DAI in Athen ist in einem Haus untergebracht, das
Schliemann nach den Plänen von Ernst Ziller und Wilhelm
Dörpfeld im klassizistischen Stil erbauen ließ, es war 1888
bezogen worden. Im Jahre 1899 kaufte es das Deutsche
Reich von der Erbin des Hauses, der Tochter Schliemanns
Andromache. Wilhelm Dörpfeld war von 1887 bis 1912 Ers-
ter Direktor des DAI.
Die Tatsache, dass die Athener Freimaurer Schliemann „als
einen der Unsrigen“ bezeichnet haben, lässt, wie zu erwar-
ten war, darauf schließen, dass
Schliemann tatsächlich auch in
Athen Mitglied einer Freimau-
rerloge gewesen war!
Die Reaktion Schliemanns auf
den Brief Zillers ist nicht be-
kannt. Ziller wohnte in Athen,
hatte sich 1882/83 hier eine
eigene Stadtvilla erbaut, hätte
also mit Schliemann auch da-
rüber sprechen können. Dieser
wird aber kaum die Zeit für ein
Gespräch bzw. eine Antwort
gefunden haben, denn er bereitete sich zu dieser Zeit gerade
auf seine Reise nach Troja vor, wo er am 1. November sei-
ne siebte Trojagrabung begann, zu der ihn sein Widersacher
Bötticher herausgefordert hatte. Am 1. Dezember begann
dort die Erste Trojakonferenz.
Ob sich Ziller unabhängig von Schliemann und nach dessen
Tod mit dem Bauvorhaben der Freimaurer beschäftigt hat,
dieses eventuell auch ausgeführt hat, konnte ich nicht er-
mitteln. Heute besitzt die bedeutendste Athener Freimaurer-
loge ein attraktives Gebäude in der Rue Ahamon 19 (www.
grandlodge.gr).
Dr. Wilfried Bölke
Schliemanngemeinde Ankershagen
Beiträge und Berichte
Athener Freimaurer bitten Schliemann um Unterstützung
Das DAI in Athen
Ernst Ziller (Porträt)