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Informationsblatt 28 März 2017
Beiträge und Berichte
Einen schöneren Ort für diese Zeremonie hätte sich wohl
kaum finden können. Von der Terrasse des Generalkonsulats
schweift der Blick weit hinaus ins Rund der Bucht von San
Francisco, macht sich fest an der malerisch gelegenen Insel
Alcatraz, heute eine berühmt-berüchtigte Touristenattraktion,
zuvor ein finsteres Hochsicherheitsgefängnis, aus dem es kein
Entrinnen gab.
Im Empfangssaal des denkmalgeschützten Hauses im vorneh-
men Bezirk Pacific Heights war davon an diesem sonnenbe-
schienenen Nachmittag des 7. Dezember 2016 freilich nichts
zu spüren. Vielmehr herrschte eine überaus freundliche Stim-
mung, als Generalkonsul Stefan Schlüter die rund 20 Gäste be-
grüßte, die seiner Einladung gefolgt waren: Vertreter des Deut-
schen Akademischen Austauschdienstes, der TUMünchen, des
Goethe-Instituts und anderer deutscher resp. mit Deutschland
verbundener Institutionen in der kalifornischen Metropole. Er-
schienen war nicht zuletzt der Generalkonsul Griechenlands,
Dimitris Xenitellis. Ihn sprach Schlüter besonders herzlich an,
freilich mit der – und auch das spiegelte die lockere Atmosphä-
re im Saal – freundlich-ironischen Anmerkung, seines – also
Schlüters – Wissens nach, läge Troja ja eigentlich auf türki-
schem Territorium. Das stimme schon, räumte Xenitellis ein,
aber – und damit hatte er den Beifall am Ende auf seiner Seite
– ob Homer, Troja oder Schliemann, die gehörten doch schließ-
lich alle zur Blüte der klassischen griechischen Hochkultur.
Sie alle waren gekommen, um einen Wissenschaftler zu ehren,
der sich um einen berühmten Deutschen und dessen mecklen-
burgische Heimat in hohem Maße verdient gemacht hat: David
A. Traill, Schotte von Geburt, 40 Jahre lang Professor für Spra-
chen und Literatur des klassischen Altertums an der Universi-
tät von Kalifornien in Davis, wenige Meilen von San Francisco
entfernt. Geehrt aber wurde er nun wegen seiner Leistungen,
die er gleichsam mit seiner beruflichen Nebenbeschäftigung
erzielte: seine Recherchen und Publikationen zu Heinrich
Schliemann. Sie provozierten so manche Kontroverse in der
Welt der Archäologie und führten zu zahlreichen Retuschen
an dem traditionellen Bild, das der Ausgräber von Troja und
Mykene von sich selber und seine Verehrer von ihm entworfen
und liebevoll gepflegt hatten.
Dennoch war die Mitgliederversammlung der Gesellschaft im
vorigen September dem Vorschlag von Dr. Bölke gefolgt, Prof.
Traill mit der Schliemann-Medaille auszuzeichnen. Schließlich
hatte die von diesem ausgelöste Debatte die internationale Auf-
merksamkeit einmal mehr auf den „weltbekannten Pionier der
Feldarchäologie“ aus Mecklenburg gelenkt, wie es in der Lauda-
tio heißt. Gleichzeitig rückten damit Schliemann-Gesellschaft
und Museum in Ankershagen in das Licht einer breiteren Öf-
fentlichkeit – ein Umstand, der in der Phase der Neuerungen und
Abwicklungen im Zuge der deutsch-deutschen Vereinigung zu
Beginn der neunziger Jahre nicht hoch genug zu bewerten war.
Als besonderes Verdienst Prof. Traills kam hinzu, dass er bereits
zu DDR-Zeiten Mitte der 1980er Jahre nach Ankershagen ge-
kommen war und die dortigen Kollegen mit englischsprachiger
Fachliteratur und Dokumenten aus dem Schliemann-Nachlass
in Athen versorgt hatte. Wenn das Museum heute als weltweit
anerkanntes Zentrum der Schliemann-Forschung gilt, so ist dies
nicht zuletzt auch diesem durch zahlreiche Veröffentlichungen
einschlägig ausgewiesenen Wissenschaftler aus Kalifornien
zu danken. Als einer der ersten Ausländer trat Prof. Traill der
Schliemann-Gesellschaft bei. Bis zum heutigen Tage nimmt er
rege an ihren Aktivitäten teil.
Im deutschen Generalkonsulat war das Ungewöhnliche dieser
Entscheidung bei allen Beteiligten deutlich zu spüren. Einen
prominenten Schliemann-Kritiker mit der Schliemann-Me-
daille zu ehren, verdiene großen Respekt, meinte beispielswei-
se Generalkonsul Schlüter gleich bei seiner Begrüßung. Insbe-
sondere der Geehrte selber, Prof. Traill, äußerte seine Bewun-
derungen und seinen Respekt gegenüber der Schliemann-Ge-
sellschaft, als er berichtete, wie sein Interesse an der Person
Schliemann geweckt worden war: Auf der Suche nach dessen
Bankhaus in Sacramento sei er auf verschiedene Widersprüche
gestoßen, beispielsweise zu den Daten seines ersten Kaliforni-
en-Aufenthaltes. Nicht schon 1850, wie in seinen Tagebüchern
behauptet, sondern erst ein Jahr später sei Schliemann in Ka-
lifornien gelandet und als Gründer einer Goldgräber-Bank in
Sacramento aktenkundig und öffentlich in Erscheinung getre-
ten. Dergleichen Ungereimtheiten, so Traill, hätten ihn dann zu
weiteren Recherchen rund um den Fund des „Priamos-Schat-
zes“ geführt. Diese hätten dann gleichfalls Unwahrheiten, ja
glatte Lügen Schliemanns zutage gefördert, etwa zur Rolle
seiner Frau Sophia und der Sicherung des Goldschatzes. Umso
mehr, unterstrich Prof. Traill, der von einem seiner früheren
Studenten begleitet war, fühle er sich durch die Auszeichnung
der Schliemann-Gesellschaft geehrt. Umso dankbarer, fügte
er hinzu, sei er, dass er von seinen Freunden dort so oft und
freundlich empfangen worden sei. Schließlich sei er sich des-
sen durchaus bewusst, dass seine Schliemann-Forschungser-
gebnisse nicht eben genau das waren, was man in Ankershagen
über den „Mecklenburger Helden“ hören wollte.
Trotzdem aber sei Schliemann doch eine große Persönlichkeit,
warf da der griechische Generalkonsul temperamentvoll ein.
Deutsches Generalkonsulat ehrt Prof. David A. Traill
Feierliche Übergabe der Heinrich-Schliemann-Medaille in San Francisco
Prof. Traill bedankt sich mit einem kleinen Vortrag