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Seite 36 Informationsblatt 30 Februar 2019

Beiträge und Berichte

Calvert hatte zweifellos recht, dass Troja II zu alt war, aber wie er

in dieser Beschreibung eine Ähnlichkeit mit den Funden aus Dä-

nemark sehen konnte, ist mir ein Rätsel. Die Kjokkenmoddings

sehen Troja überhaupt nicht ähnlich, und es ist daher absolut un-

möglich, Troja analog zu ihnen zu datieren. Auch Schliemann

hatte die Kjokkenmoddings nie gesehen, aber während seiner

Museumsreise im Jahr 1875 hatte er Funde aus den Kjokken-

moddings im Museum von Kopenhagen gesehen und festge-

stellt, dass sie in nichts mit denen aus Troja übereinstimmten.

Dies machte ihn jedoch nicht völlig immun gegen die Idee von

Küchenabfällen. In „Ilios“ beschreibt er die Entdeckung einer

auffälligen Schicht:

„... im allgemeinen [ist] die Töpferarbeit dieser vierten Stadt

gröber und von roher Technik, und dass wir hier eine unendlich

grössere Menge von rohen, mit der Töpferscheibe verfertigten

Terracotten und viele neue Formen von Vasen und Bechern fin-

den. Ueberdies ist die Menge roher Steinhämmer und polirter

Steinäxte hier vollauf dreimal so gross als in der dritten Stadt;

auch die Massen von Schalen und Strahlmuscheln, die in den

Trümmern der Häuser aufgehäuft liegen, sind hier erstaunlich,

dass sie aller Beschreibung spotten. Am besten können die Be-

sucher sie in dem grossen Schuttblock sehen, den ich dicht ne-

ben dem ‚Grossen Thurme‘ stehen liess. Ein Volk, das alle seine

Küchenabfälle auf den Fussböden seiner Gemächer liegen liess,

muss auf einer social sehr niedrigen Stufe gelebt haben.“

3

Diese Schicht und die damit verbundene Schlussfolgerung war

auffällig, so auffällig, dass Schliemann befürchtete, seine Leser

würden ihm nicht glauben. Deshalb ließ er einen Teil der Wand,

in dem dieses Phänomen sichtbar war, stehen, damit die Besu-

cher seine Aussage überprüfen können. Zu meiner großen Über-

raschung entdeckte ich in Troja, dass diese Wand auch heute

noch existiert und dass es deshalb noch immer möglich ist, seine

Aussage zu überprüfen. Inzwischen ist sie von Erosion betrof-

fen, aber das tut ihrem Wert wenig. Und ja, es gibt eine auffäl-

lige Muschelschicht, die nicht das Ergebnis der Auflösung von

Lehmsteinen sein kann.

Hier gerät der „Archäologie-Historiker“ in Konflikt mit dem Ar-

chäologen. Der Historiker möchte, dass diese Mauer, der letzte

mehr oder weniger unbeschädigte Überrest von Schliemanns Ar-

beit, erhalten bleibt. Der Archäologe möchte wissen, wie diese

Schicht entstanden ist. Diese Wand ist derzeit für die Öffentlich-

keit nicht sichtbar, und die Leser müssen sich also mit meinem

Foto begnügen.

In der Schliemann-Literatur sagen einige, dass die Ausgrabung

von Troja besser gewesen wäre, wenn sie von Frank Calvert

durchgeführt worden wäre. In Troja kann diese Meinung nicht

überprüft werden, da Schliemann Calverts Arbeiten vergraben

hat. Um diese Meinung zu überprüfen, bin ich daher nach Hanai

Tepe gefahren. Schon bei der Ankunft kann man sehen, dass

Calvert die Schliemann-Technik des großen Grabens eingesetzt

hat. Der gesamte mittlere Abschnitt des Hügels wurde ausgegra-

ben. Durch die Erosion sind die Wände nun verschwunden, so

dass das Ganze wie ein merkwürdiges Tal aussieht. Es fällt auf,

dass in diesem Graben keine Spuren von Wänden zu sehen sind.

3 Schliemann, Heinrich 1881, Ilios. Leipzig, 578 f.

Dadurch entsteht die Idee, dass Calvert sie während seiner Aus-

grabungen entfernt hat. Ein zweites auffälliges Phänomen sind

die großen Mengen an Scherben, die leicht auf der Oberfläche

zu finden sind. Scherben von Troja I und II liegen hier und da

verstreut. Dies vermittelt den Eindruck, dass Calvert Scherben

weniger wertschätzte als Schliemann. Um wirklich herauszufin-

den, wie Calvert gearbeitet hat, ist mehr Forschung nötig, und ich

gebe diese Bemerkungen auch nur als ersten Eindruck von mir,

in der Hoffnung, dass in Zukunft mehr über seine Ausgrabungs-

technik geforscht wird.

Wout Arentzen,

Utrecht

Hanai Tepe

Scherbe aus Troja I oder II

Schliemanns stehengebliebene Wand