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Informationsblatt 30 Februar 2019
Beiträge und Berichte
Bereits dreimal habe ich Bittstellerbriefe vorgestellt, in denen
in Not geratene Menschen Heinrich Schliemann um seine fi-
nanzielle Unterstützung gebeten hatten. Über den berühm-
ten Ausgräber berichteten nach der Entdeckung des „Pria-
mos-Schatzes“ im Jahre 1873 die Tageszeitungen in der ganzen
Welt. In dem nachfolgend vorgestellten Brief bittet ein 16-jäh-
riger Jugendlicher aus Eger in Böhmen Schliemann geradezu
flehentlich, ihn in sein Haus in Athen aufzunehmen. Er habe
den großen Wunsch, ihm bei seinen Ausgrabungen zu helfen
und auch sonst in jeder Weise dienlich zu sein. Wir wissen
nicht, ob Schliemann diesen Brief beantwortet hat. Offenbar
hatte Karl Heindl den Besuch des Gymnasiums abgebrochen,
verfügte demnach weder über einen Schulabschluss, noch über
eine abgeschlossene Berufsausbildung. Eine positive Reaktion
Schliemanns war nicht zu erwarten. Erstaunlich ist aber, dass
Schliemann diesen Brief, wie andere Bittstellerbriefe auch,
aufbewahrt hat. Er befindet sich heute in seinem schriftlichen
Nachlass in der Gennadius Library in Athen und als Kopie im
Archiv unseres Museums.
Transkription des Briefes
(unkorrigiert, nur fehlende Buchsta-
ben wurden ergänzt):
Ein neuer Bittstellerbrief an Heinrich Schliemann
(Dr. Wilfried Bölke)
Eger am 12. Janner 83.
Im Namen ihrer berühmten Funde und aus Liebe zu
Athen.
Geehrter Herr Dr. Heinrich Schliemann!
Die Liebe zu Ihnen und zu meinen Vaterlande [?
– W. B.] Hellas zwingt mich ihnen diese Zeilen zu
schreiben. Schon lange hege Ich den Wunsch jenes
berühmte Land zu sehen wo so unerschöpfliches
geleistet wurde und jene berühmten Denkmäler zu
schauen und auch für immer dort zu leben.
Daher flehe ich sie wie Priamos den Achilleus an-
flehte mich bei ihnen aufzuneh(m)en in ihr gast-
freundschaftliches Haus. ich binn freilich erst ein
Jüngling von 16 Jahren aber die Liebe zu meinen
Griechenland ist unsterblich. Ich will bei Ihnen auch
nieder(e) Dienste verrichten ihnen bei ihren Ausgra-
bungen Arbeiten u. s. w. behilflich (sein) auch will
ich alle ihre Funde und Entde(c)kungen und Denk-
mäler von ganz Griechenland zeich(n)en und sie zu
einen Werke vereinigen auch alles was sie mir sonst
noch befehlen. Ich will ihnen mit ganzen Herzen
und ganzer Seele zugethan sein. Auch kön(n)te ich
das Land meiner Wünsche schauen in Wirklichkeit.
D(a)rum geehrter Herr wende ich mich als Schutz-
flehender deutscher Philhellene an sie mit der Bitte
mich in ihr Haus aufzunehmen und mich nicht von
sich zu stoßen. Mehr kann ich jetz(t) vor Freude und
Aufregung nicht schreiben nur bitte ich sie mich
nicht abzuweisen näh(e)res werde ich nach ihrer
Werthen Antwort schreiben. auch absolvirte ich
zwei [?] Gymnasialklassen in [?] befinde mich ge-
genwärtig bei der Buchhandlung E. A. Götz in Eger.
Ich flehe sie nochmals an mich nic(h)t abzuweisen.
Mein(e) Addresse:
Karl Heindl
bei Herrn E. A. Götz
Buchhandlung Marktplatz Nr. 1.
Eger in Böhmen
(Austria)
Brief von Karl Heindl