Seite 28 Informationsblatt 29 April 2018
Beiträge und Berichte
Lieber Reinhard,
vom Vorstand der HSG bin ich gebeten worden, heute, auf dem
Begrüßungsabend zu unserer diesjährigen Mitgliederversamm-
lung, eine Laudatio aus Anlass Deines Ausscheidens als Leiter
des HSM zu halten. Ich würde Dich am längsten kennen, war
die einhellige Meinung. Ja, das ist richtig und ich tue dies ger-
ne, obwohl der Anlass für diese Laudatio für mich und uns alle
kein Erfreulicher ist: Du bist am 31. August aus Altersgründen
aus dem Amt geschieden und – was noch betrüblicher ist – das
HSM sieht nun, was sein Status als Gedenk- und Forschungs-
stätte betrifft, einer ungewissen Zukunft entgegen, was mir der-
zeit große Sorgen bereitet! Zunächst aber übermittle ich Dir von
den hier Anwesenden nachträglich die herzlichsten Glückwün-
sche zu Deinem 65. Geburtstag.
In meiner Laudatio möchte ich auf ReinhardsWirken und Schaf-
fen während der vergangenen mehr als 14 Jahre zurückblicken.
Am 1. April 2003 hatte Reinhard nach meinemAusscheiden die
Amtsgeschäfte übernommen, ich hatte ihm tags zuvor bei mei-
ner feierlichen Verabschiedung im HSM den Staffelstab über-
geben. Reinhard war mein und unser Wunschkandidat. Aber ich
kenne Reinhard schon viel länger als diese 14 Jahre, es sind
nämlich 32 Jahre, die wir auch schon so lange Zeit in Sachen
Schliemann freundschaftlich zusammenarbeiten!
Einleitend nun ein kurzer
Lebensabriss
Dr. Reinhard Wittes:
Reinhard Witte wurde am 10. 1. 1952 in der Lutherstadt Eisle-
ben geboren. Dort besuchte er auch die Oberschule. Nach dem
Abitur absolvierte er bis 1973 den obligatorischen Wehrdienst.
Ein paar Monate vor und nach der Armeezeit arbeitete er in den
Museen der Lutherstadt Eisleben und sammelte dort erste muse-
ale Erfahrungen. Im September 1973 nahm er sein Studium der
Geschichtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin
auf. Bereits im 2. Studienjahr begann Reinhard Witte, sich auf
dem Gebiet der Alten Geschichte zu spezialisieren. Im Sommer
1977 legte er sein Staatsexamen mit dem Prädikat „Sehr gut“ ab.
Aufgrund seiner guten Studienleistungen begann Reinhard im
März 1977 ein dreijähriges Forschungsstudium, das er im Jahre
1980 mit der Dissertation zum Thema „Die frühen Schriftfunde
Südosteuropas unter Berücksichtigung der beginnenden Kup-
fermetallurgie“ mit einem „cum laude“
1
abschloss.
Im Juni 1980 nahm Reinhard Witte seine Arbeit als Wissen-
schaftlicher Mitarbeiter im Zentralinstitut für Alte Geschichte
und Archäologie der ehemaligen Akademie der Wissenschaften
der DDR bei Prof. Herrmann in Berlin auf und spezialisierte
sich als einziger Wissenschaftler in der DDR auf die Spezialdis-
ziplin „Mykenologie, Minoica“.
1 Persönliche Bemerkung von Reinhard Witte: Auch wenn die Benotung keine
Rolle mehr spielt, sei für den zeitgeschichtlich Interessierten vermerkt, dass
in der DDR die politische Einstellung und die Benotung in Marxismus-Le-
ninismus in die Dissertationsnote einbezogen wurden. Für M/L erhielt ich
„rite“ (ausreichend), für die Dissertationsschrift „magna cum laude“ (sehr
gut), für die Verteidigung „summa cum laude“ (mit höchstem Lob); so kam
als Gesamturteil „cum laude“ (gut) zustande.
Die weitestgehend politisch bedingte Isolierung, verschärft
durch die herrschenden Reisebeschränkungen, hinderte ihn
aber nicht daran, über die Ergebnisse seiner Forschungen über
die minoischen und mykenischen Kulturen zahlreiche Veröf-
fentlichungen zu den Schriften Linear A und B, zu speziellen
Problemen wie dem bronzezeitlichen Metallhandel und der
Rolle der Frau sowie zur Entwicklung von Gesellschaft und
Staat im minoischen Kreta zu publizieren.
Am 31. 12. 1991 erfolgte laut Einigungsvertrag die Auflösung
der Akademieinstitute. Im Rahmen des Wissenschaftler-Inte-
grationsprogramms (WIP) für mehrfach fachlich und politisch
positiv evaluierte DDR-Wissenschaftler arbeitete Reinhard
Witte danach von 1992 bis Ende 1996, bis zum Auslaufen des
WIP, in Forschung und Lehre an der Humboldt-Universität zu
Berlin, am Institut für Geschichtswissenschaften, am Seminar
für Alte Geschichte.
Von Januar 1997 bis Ende September 1998 war R.W. ohne fe-
sten Arbeitsvertrag (nicht arbeitslos, wie er immer betont hat),
war beim „Tagesspiegel“ und der Wochenzeitung „Die Zeit“
publizistisch tätig, arbeitete als Referent und Gastdozent an der
Humboldt-Universität und übernahm die Herausgabe der Zeit-
schrift „Das Altertum“, in der dann auch durch seine Einfluss-
nahme von ihm und anderen Schliemannforschern Fachbeiträge
über Schliemann erschienen sind.
ReinhardWitte und Heinrich Schliemann
(
Rückerinnerungen aus meiner persönlichen Sicht)
Seit 1985 beschäftigte sich Reinhard Witte auch mit dem Leben
und Wirken H. Schliemanns. Zu dieser Zeit lernte ich ihn ken-
nen. Wie kam es dazu?
Am 6. Juli 1985 organisierten wir im HSM, zu dieser Zeit noch
eine räumlich beengte Gedenkstätte, unser 1. wissenschaftliche
Kolloquium zum Thema
„Heinrich Schliemann und Rudolf Vir-
chow“
. Ich fragte zu dieser Zeit, damals noch als Vorsitzender
Laudatio für Dr. ReinhardWitte aus Anlass seines Ausscheidens
als Leiter des Heinrich-Schliemann-Museums
Laudatio von Dr. Wilfried Bölke. Vorsitzender Rainer Hilse hält freundlicher-
weise das Mikrophon.