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Informationsblatt 29 April 2018
Beiträge und Berichte
des Schliemannbeirates und fachlicher Seiteneinsteiger, bei
wissenschaftlichen Einrichtungen und Forschern in der DDR
an, ob sie einen Vortrag zu der gewählten Thematik überneh-
men oder vermitteln könnten. So richtete ich im Januar 1985
auch eineAnfrage an das Zentralinstitut für Alte Geschichte und
Archäologie in Berlin (Reinhard Witte kannte ich zu dieser Zeit
noch nicht) und erhielt die Antwort, dass
„unser Mitarbeiter
Dr. Witte bereit ist, einen Vortrag zu übernehmen“.
Ich wandte
mich daraufhin brieflich umgehend an ihn, lud ihn zu einem
Vortrag ein und bat ihn, mir ein
„genau formuliertes Thema“
zu übermitteln. Reinhard bedankte sich bei mir herzlich, sagte
zu und entschied sich für das Thema
„Virchows Parteinahme
für Heinrich Schliemann im Spiegel seiner Veröffentlichungen“.
Am Tag des Kolloquiums, dem 6. Juli 1985, traf Reinhard Wit-
te früh mit dem Zug von Berlin in Waren ein, wo ich ihn vom
Bahnhof abholte und nach Ankershagen fuhr. Am Vormittag be-
gann in der Dorfgaststätte, dem heutigen „Silberschälchen“, un-
serem damaligen Tagungs- und Versammlungsort, das Kolloqui-
um. Bei dieser Gelegenheit machte ich Reinhard auch mit unse-
rer damals noch sehr kleinen Schliemann-Gedenkstätte bekannt.
An diesem Tag lernten wir uns persönlich kennen. Ich glaube,
das war damals Reinhards Einstieg in die Schliemannforschung.
In der Folgezeit entwickelte sich zwischen uns nicht nur eine
fruchtbare wissenschaftliche Zusammenarbeit in Sachen Schlie-
mann, sondern auch eine persönlich-menschliche Beziehung,
die inzwischen mehr als drei Jahrzehnte Bestand hat.
Nach seiner Rückkehr in Berlin sandte er mir eine Ansichtskar-
te mit folgendem Inhalt:
„Lieber Herr Bölke! Ich möchte mich
nochmals für die Einladung und den schönen Tag in Ankersha-
gen bedanken. Von der Arbeit des Schliemann-Beirates und den
weiteren Vorhaben bin ich beeindruckt. Wenn ich irgendwie, ir-
gendwann helfen kann, schreiben Sie es mir bitte.“
Dieses spontane Hilfsangebot von Reinhard habe ich gerne
angenommen. Diese Hilfsbereitschaft ist eine typische Ei-
genschaft von ihm, die ich sehr an ihm schätze. Er hat mir in
der Folgezeit oft geholfen, sei es mit Hinweisen auf von mir
gesuchter Spezialliteratur und beim Beschaffen von zu DDR-
Zeiten schwer herstellbaren Kopien.
In der Folgezeit hielt ich mich des Öfteren dienstlich in Berlin
auf, und wenn es sich einrichten ließ, traf ich mit Reinhard Wit-
te zusammen, in der Akademie der Wissenschaften oder bei ihm
zu Hause. Mehrere Male habe ich bei ihm übernachtet, nach-
dem mir Reinhard auch dieses Freundschaftsangebot gemacht
hatte. Er war dann auch sehr darum bemüht, mich und unsere
Ankershagener Aktivitäten in der Akademie der Wissenschaf-
ten (AdW) bekannt zu machen. Das hatte zur Folge, dass ich in
das wissenschaftliche Komitee der AdW zur Vorbereitung des
100. Todestages H. Schliemanns im Jahre 1990 berufen wur-
de, dessen Vorsitzender Prof. Herrmann und dessen Sekretär R.
Witte war.
Anfang Dezember 1990 besuchten die Kongressteilnehmer
des von der AdW organisierten Internationalen Schliemann-
kongresses in Berlin, an dessen Vorbereitung auch R. Witte be-
teiligt war, auf einer Exkursion
auch Ankershagen und unser
Heinrich-Schliemann-Museum.
Im September 1991 wurde Reinhard eines der ersten Mitglie-
der der von uns gegründeten Heinrich-Schliemann-Gesellschaft
Ankershagen e.V., und er wurde im selben Jahr gemeinsam mit
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in den Beirat der
HSG, ein den Vorstand beratendes Gremium, berufen. Reinhard
hat seitdem die Entwicklung des Museums und der HSG mit
großer persönlicher Anteilnahme aktiv begleitet. Im Sommer
1999 machte er sich in einem dreimonatigen Praktikum mit der
Arbeit im HSM bekannt und führte erstmals in bewährter Weise
Besucher durch das Museum. Im August 2001 begab sich R.
Witte mit seinem Fahrrad auf eine 11-tägige Werbefahrt von
Berlin nach Hamburg auf die Spuren H. Schliemanns.
So war es ein folgerichtiges Anliegen von mir und auch des
Vorsitzenden der HSG, Rainer Hilse, dem Landrat des Müritz-
kreises Herrn Dr. Witte als Nachfolger für mich vorzuschlagen.
Dass dies schließlich nach einer öffentlichen Ausschreibung
realisiert werden konnte, war auch der Fürsprache einiger ein-
flussreicher Unterstützer außerhalb des Museums zu verdan-
ken. Wir alle waren erleichtert, dass unser Anliegen schließlich
Berücksichtigung fand und ich unseremWunschkandidaten am
29. März 2003 den Staffelstab als zukünftigem Leiter des HSM
übergeben konnte. Mit ihm fand auch Undine Haase als ausge-
bildete Museologin eine feste Anstellung im Museum.
Reinhard Witte stellte sich von Beginn seiner Leitungstätigkeit
an die anspruchsvolle Aufgabe, nicht nur den guten Ruf des im
Jahre 1980 begründeten Museums, den unsere Gedenk- und
Forschungsstätte
in unserem Lande und imAusland besitzt, ge-
recht zu werden, sondern den seit Jahren in enger Zusammen-
arbeit mit der Heinrich-Schliemann-Gesellschaft beschrittenen
Weg mit eigenen Ideen und Initiativen erfolgreich fortzusetzen.
Mit Beginn seiner Leitungstätigkeit widmete Reinhard seine
ganze Kraft der weiteren positiven Entwicklung unseres Mu-
seums, und dies ist R. Witte trotz der zunehmend schwieriger
werdenden personellen und finanziellen Bedingungen gelun-
gen. Dies beweist die Tatsache, dass das Museum, das im Jahre
2001 von der Bundesregierung als kultureller Gedächtnisort
von nationaler Bedeutung
und internationaler Ausstrahlung in
das „Blaubuch“ der neuen Bundesländer aufgenommen worden
war, seitdem in jedem Jahr die Aufnahmekriterien erfüllt hat.
Dazu trugen wesentlich Reinhard Wittes sehr umfangreiche
deutschlandweite Vortragstätigkeit außerhalb des Museums wie
auch seine publizistische Tätigkeit bei. Im Jahre 2013 erschien
seine viel beachtete Schliemannbiografie. Auch die von Rein-
hard in vorzüglicher Qualität erarbeitete elektronische Bildda-
tei muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Darüber
hinaus hat er das HSM in mehreren Rundfunk- und Fernsehsen-
dungen im In- und Ausland bekannt gemacht.
Es war ein besonderes Anliegen des anerkannten Schlie-
mannforschers und promovierten Althistorikers, eine breite
Öffentlichkeit für Heinrich Schliemann und das Museum zu
interessieren. Sein großes Verdienst ist es, schon zu Beginn
seiner Tätigkeit die Sonntagsvorträge ins Leben gerufen zu
haben. An einem jeden ersten Sonntag im Monat machte er
auf populäre Weise mit dem Leben und Wirken Schliemanns,
aber auch seinem Umfeld und seiner Zeit bekannt, das war
ihm wichtig, eine Herzensangelegenheit. Er strebte eine breite
Grundlage des Themenangebotes an, seine Vorträge beinhal-