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Informationsblatt 26 Februar 2015
Beiträge und Berichte
Mit demAuffinden des „Priamos-Schatzes“ im Jahre 1873 wird
der Außenseiter Heinrich Schliemann über Nacht weltberühmt.
Je mehr die Zeitungen in aller Welt über seine Erfolge und sei-
nen Reichtum berichtet haben, je bekannter er in der Öffent-
lichkeit wurde, umso mehr Leute wandten sich mit Briefen an
ihn, um ihn um seine Hilfe in ihren persönlichen Notlagen zu
bitten. Auf solche „Bittsteller-Briefe“ reagierte Schliemann in
der Regel sehr empfindlich. Er vertrat die Meinung, dass er
sich seinen Reichtum hatte hart erarbeiten müssen und erwar-
tete dies auch von seinen Bittstellern. Er selbst hatte sich nach
negativen Erfahrungen in einer anfänglichen Notsituation ge-
schworen, nie jemanden mehr um Geld zu bitten.
Schliemann konnte sich aber auch sehr großzügig zeigen, im-
mer dann, wenn von ihm selber der Entschluss ausging, helfen
zu wollen. So unterstützte Schliemann auch Not leidende Ein-
wohner seines Heimatortes Ankershagen.
Bei meiner Auswertung des Briefwechsels Schliemanns in
der Gennadius Library und im Archiv des HSM bin ich wie-
derholt auf solche an Schliemann gesandten Bittsteller-Briefe
gestoßen. Einen solchen richtete der Philologie-Student Paul
Kroemer aus Breslau am 25. 8. 1881 an Heinrich Schliemann.
Nachfolgend sehen Sie eine Kopie des Briefes und eine Tran-
skription des Brieftextes. Ob und wie Schliemann auf dieses
Hilfeersuchen reagiert hat, ist nicht bekannt. Bemerkenswert
ist, dass er auch diese an ihn gerichteten Briefe aufbewahrt hat.
Heinrich Schliemann erhält Bittschriften-Briefe
Dr. Wilfried Bölke
Transkribierter Brieftext
Breslau d. 25. August 1881.
Hochzuverehrender Herr Doctor!
Als armer Philologe und Soldat wage ich es unbekannt imVertrauen auf Ihre Edelherzigkeit und liebevolle Gesinnung gegenArme mich
mit einer Bitte an Euer Hochwolgeboren zu wenden.
Vaterlos und mittellos studire ich schon seit fünf Semestern auf hiesiger Universität und ist es mir bis jetzt gelungen, mich nur von dem
Erlös des Stundengebens zu erhalten. Seit dem 1. April d. J. genöthigt, meiner einjährigen Militärzeit zu genügen, fällt derVerdienst des
Stundengebens für mich weg und befinde ich mich als Soldat in einer sehr traurigen Lage.
Nur unter den größten Entbehrungen habe ich die vom 3. bis zum 12. August bei Brieg stattgehabte Schießübung mitgemacht, sodaß ich
dem Manöver, zu welchem wir am 6. September ausrücken, mit Bangen und Sorgen entgegensehe. Wenn ich mich daher erdreiste, an
Sie, hochverehrter Herr Doctor, mit der gehorsamen Bitte heranzutreten, mir armen Philologen und Soldaten mit einer kleinen Beihilfe
gnädigst beistehen zu wollen, so bitte ich auch gleichzeitig, diese meine Handlungsweise meiner sehr gedrückten Lage zugute halten
zu wollen.
Nur eine stets dankbare Gesinnung kann ich Ihnen, hochgeschätzter Herr Doctor, bewahren und indem ich Ihnen, meinem edlenWohl-
thäter, bei Erhörung meiner Bitte mit einem herzlichen „ Gott bezahl’s“ danke, bleibe ich
Euer Hochwohlgeboren
in wahrhafter Hochachtung
stets dankbarer
Paul Kroemer, stud.phil.
Einj. Frw. im 4. Niederschles.
Inf.-Reg. No 51.