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überein: Die Rede ist weniger von der auffällig buschigen linken Augenbraue als

vielmehr, dass deren rechtes Pendant etwa in der Mitte abbricht, so als läge eine

Verletzung vor. Ist hier eventuell ein unverwechselbares, individuelles Merkmal

der Schliemannschen Physiognomie greifbar? Denn bereits die frühesten existie-

renden Aufnahmen aus der Petersburger Zeit (1856 bzw. 1861)

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lassen diesen

scheinbaren ‚Defekt‘ erkennen, auch wenn er nicht bei allen späteren Aufnahmen

in gleicher Weise hervortritt.

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Ungeachtet dessen bieten auch die anderen Origi-

nalfotos aus den 1880er Jahren eine Reihe von Analogien, so etwa das allbekann-

te, angeblich 1883 in Karlsbad aufgenommene Bild

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des Ehepaars Schliemann

oder jenes sicher in Breslau, möglicherweise bereits 1884 entstandene Foto,

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das

später in der Selbstbiographie von 1892 als Vorlage für das Titelbild

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diente. Der

Einzelvergleich kann entfallen, denn er führt über das zuvor Gesagte nicht hinaus.

Das letzte, am 20. Dezember 1890 in Paris entstandene Foto

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von Schliemann,

das den von der Operation am Ohr schwer gezeichneten, ja sichtlich gealterten

Schliemann wenige Tage vor seinem Ableben zeigt, bietet ein geschmälertes Un-

tergesicht und unter weit gewölbter Stirn auffällig prägnant die Züge eines sicht-

lich Gealterten. Von dieser Lebensstufe ist der auf dem Gemälde Gemeinte – sei

es Schliemann oder nicht – trotz gewisser Ähnlichkeiten in der unteren Gesichts-

hälfte doch ziemlich entfernt.

Betrachtet man abschließend das berühmte, 1877 entstandene Gemälde von Syd-

ney Hodges,

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das kaum bei Sitzungen im Atelier – man kann sich den ruhelosen

Schliemann so kaum vorstellen –, sondern doch wohl eher nach Skizzen oder einer

Fotovorlage geschaffen worden sein wird. Dieses bisher einzige sicher zu Lebzei-

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1856: Gennadius Library, m. W. unveröffentlicht. – 1861: Emil Ludwig: Schliemann. Geschichte

eines Goldsuchers, Berlin 1932, nach S. 72. Herrmann 1990, Taf. 4. Korres 1990, S. 65 Abb. 12.

Wilfried Bölke und Reinhard Witte (Hg.): Heinrich Schliemann Museum Ankershagen. Ausstel-

lungsführer, Ankershagen 2003 (im Weiteren: Bölke/Witte 2003), S. 70.

11

Die Vermutung, dass es sich dabei um einen Effekt seitlicher Beleuchtung handelt, ist zwar nicht

gänzlich auszuschließen, doch spricht die häufige Wiederkehr des beobachteten Phänomens eher

dagegen.

12

Bölke/Witte 2003, S. 87.

13

Ernst Meyer: Heinrich Schliemann. Kaufmann und Forscher, Göttingen 1969, Frontispiz. Christian

Andree (Hg.): Über Griechenland und Troja, alte und junge Gelehrte, Ehefrauen und Kinder. Briefe

von Rudolf Virchow und Heinrich Schliemann aus den Jahren 1877-1885, Köln/Wien 1991 (im

Weiteren: Andree 1991), Abb. 10. Justus Cobet, Heinrich Schliemann. Archäologe und Abenteu-

rer

2

, München 2007, S. 99 Abb. 12.

14

Sophia Schliemann (Hg.): Heinrich Schliemann’s Selbstbiographie, bis zu seinem Tode vervoll-

ständigt, Leipzig 1892, Frontispiz.

15

Korres 1990, S. 99 Abb. 62. Andree 1991, Abb. 11. Bölke/Witte 2003, S. 93. Witte 2013, S. 128.

16

Berlin, Staatliche Museen zu Berlin: Museum für Ur- und Frühgeschichte: Herrmann 1990, Titel-

bild. Wilfried Bölke: Heinrich Schliemann. Ein berühmter Mecklenburger, Schwerin 1996, Ein-

band. Bölke/Witte 2003, S. 33. Witte 2013, Einband und S. 54.