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Seite 73

Informationsblatt 28 März 2017

Die bisherige Arbeit der HSG seit ihrer Gründung war durch

die enge Verbindung mit dem Heinrich-Schliemann-Muse-

um gekennzeichnet, ja die Entwicklung des Museums war nur

möglich, weil die beiden bisherigen Direktoren, Herr Dr. Böl-

ke, und sein noch amtierender Nachfolger, Herr Dr. Witte, es

verstanden haben, einen Kreis von Personen mit Interesse an

Kulturgeschichte im Allgemeinen und Schliemannforschung im

Besonderen an das Museum zu binden, Interessen und Unter-

stützung auf das Museum zu fokussieren. So wurde aus dem

kleinen, noch in der DDR gegründeten Museum eine Stätte der

Begegnung von Wissenschaftlern und interessierten Laien, eine

Stätte der Vermittlung von kulturgeschichtlichen Erkenntnissen

an einen breiteren Kreis interessierter Menschen in der Region

und auch eine inzwischen beachtliche Sammlung historischer

Dokumente zur Person des Archäologen Schliemann und seinen

Verdiensten um frühe ägäische Kulturen.

Dies war nur vor dem Hintergrund einer spezielleren wissen-

schaftlichen Beschäftigung einer kleinen Gruppe um die jewei-

ligen Leiter des Museums und ihren Kontakten zu auswärtigen

Wissenschaftlern aus ganz Deutschland und dem Ausland mög-

lich und machte das Museum über den unmittelbaren Besuch

hinaus für viele immer wieder interessant. Die überregionale

Ausstrahlung wurde anerkannt, in Deutschland durch den so-

genannten Blaubuchstatus, durch die Teilnahme von Wissen-

schaftlern an Tagungen und selbst gern gehaltenen Vorträgen

und nicht zuletzt durch eine vor allem in den neunziger Jahren

eingeworbene und erfahrene finanzielle Unterstützung, die erst

den heutigen Zustand des Museums ermöglichten.

Das Heinrich-Schliemann-Museum wurde so tatsächlich für In-

teressierte zu einem „Leuchtturm“, der mehr vermittelt als die

Kenntnis regionaler Großherzöge und ihrer dynastischen Be-

ziehungen, sondern Brücken baut zwischen Kulturen, zwischen

unterschiedlichen Epochen der Menschheitsgeschichte und

dem jeweiligen „politischen Denken“, in dem sich schon immer

die Probleme Freiheit und Gerechtigkeit, Globalisierung und

Migration widerspiegelten. Diese Ausstrahlung war für mich

zum Beispiel der Anziehungspunkt und führte in die Hein-

rich-Schliemann-Gesellschaft. Anderen ging das sicher ähnlich.

Das muss nicht so bleiben. Die regionalen Entscheidungsträger

haben einen Weg eingeschlagen, der das Museum zu einer rei-

nen Erinnerungsstätte programmiert. Größere populärwissen-

schaftliche Ausstrahlung oder gar speziellere wissenschaftliche

Arbeit werden nicht mehr als sein Auftrag gesehen. Nur so kann

man die Entscheidung zu einer Nichtausschreibung der Stelle

des Museumsleiters verstehen, die eine Auswahl einer Persön-

lichkeit mit entsprechenden Qualifikationen und Fähigkeiten

unmöglich machen wird. (Wir haben gegen diese Entwicklung

leider vergeblich angekämpft.)

Es kann also sehr rasch eine Situation eintreten, in der die

Heinrich-Schliemann-Gesellschaft selbst diesen Part, der über

die unmittelbare Betreuung und Leitung des Museums hinaus-

geht, übernehmen muss, ohne natürlich eine enge Zusammen-

arbeit mit der Einrichtung selbst aufgeben zu wollen. Aber wir

sollten uns gedanklich auf eine solche Situation vorbereiten.

Was könnten wir somit in Zukunft anders machen?

1. Abhängig von dem zukünftigen Angebot des Museums sollte

die HSG den Part der Gestaltung von kulturhistorischen Ver-

anstaltungen übernehmen. Ziel sollte dabei sein, die bisherige

konstante Frequenz von Veranstaltungen mit hohem Informati-

onswert aufrecht zu erhalten. Die Mittel der HSG wären dafür

einzusetzen. Schwerpunkte sollten dabei inhaltlich Diskurse

über Archäologie der Bronzezeit, Geschichte der Archäologie

und ihre heutige Rezeption, Schliemann und sein Umfeld und

vielleicht stärker als bisher das Gedankengut der Antike als eine

der Wurzeln der europäischen Geistesgeschichte sein. Gerade

der letzte Punkt würde Staub von der Geschichte wischen.

2. Wer soll das leisten? Es ist sicherlich notwendig, Kontakte

zu anderen Gesellschaften (Winckelmann, Voss), wissenschaft-

lichen Einrichtungen und Museen auf- bzw. auszubauen. Ge-

meinsame Veranstaltungen wären auch möglich. Nicht alles

müsste sich in Ankershagen abspielen. Die in der Gesellschaft

als Mitglieder verankerten Wissenschaftler sollten stärker ein-

bezogen werden, die wenigsten wohnen allerdings in Mecklen-

burg. Aber was spricht gegen einen Vortrag in Rostock oder

Greifswald oder einen Gast von den Universitäten? Vernetzung

und Zusammenarbeit sind gefragt.

3. Dazu bedarf es auch einer anderen Arbeit des Vorstandes.

Bisher war das Museum der zentrale Punkt und seine notwendi-

ge Erneuerung bleibt auch ein Ziel der HSG. Wenn jedoch eine

ausgewogene Veranstaltungsliste, auch unter Einbeziehung von

Ankershagen zu Stande kommen soll, müssen kompetente und

aktive jüngere Wissenschaftler mit in den Vorstand, der sich nur

zu bestimmten Schwerpunktplanungen treffen muss. Ergänzt

und teilweise umgesetzt werden könnte dessen Planung durch

eine „regionale Arbeitsgruppe“, wie bisher. Sozusagen würde

die inhaltliche Arbeit von Dr. Witte zumindest zum Teil „ausge-

lagert“. Einer Zusammenarbeit mit dem Museum widerspricht

das ausdrücklich nicht.

Der jetzige Vorstand hat die schwierige Aufgabe der Gestaltung

der Übergangsphase in eine noch unübersichtliche Zukunft des

Museums. Gleichzeitig müssen wir alle in dieser Zeit die Fra-

ge beantworten, ob die Heinrich-Schliemann-Gesellschaft eine

Zukunft haben wird. Als reine „Fördergesellschaft“ des Muse-

ums ohne eigene inhaltliche Arbeit an und mit kulturgeschicht-

lichen Themen hat sie diese Zukunft eher nicht. Es gilt, unsere

Beziehungen zum Museum konkreter zu definieren (juristisch,

finanziell, inhaltlich, organisatorisch) und gleichzeitig die Ei-

genverantwortlichkeit der Heinrich-Schliemann-Gesellschaft

für den Umgang mit dem Erbe ihres Namengebers im weitesten

Sinne neu zu definieren. Sonst hat vielleicht Professor Traill in

den USA vom Deutschen Konsul in San Francisca unsere Me-

daille überreicht bekommen, in Ankershagen existiert aber nur

noch eine „Heimatstube“.

Prof. Dr. Hellmut Rühle

Vorstandsmitglied HSG

Woggersin bei Neubrandenburg

hellmut.ruehle@gmx.de

Mitteilungen der Gesellschaft

Gedanken zur Zukunft der Heinrich-Schliemann-Gesellschaft Ankershagen e. V.